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Wie der neue Küchenchef des Kempinski-Hotels Gäste aus der Region anlocken will

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Ambitionierte Ziele: Björn Juhnke ist neuer Küchenchef im Fünf-Sterne-Hotel Kempinski im Neu-Isenburger Stadtteil Gravenbruch.
Ambitionierte Ziele: Björn Juhnke ist neuer Küchenchef im Fünf-Sterne-Hotel Kempinski im Neu-Isenburger Stadtteil Gravenbruch. © Philipp Keßler

Seit einigen Wochen hat Björn Juhnke als neuer Chef in der Küche des Kempinski-Hotels im Neu-Isenburger Stadtteil Gravenbruch das Sagen - und er hat mit Blick auf die Region viel vor.

Neu-Isenburg – Für Björn Juhnke geht es Schlag auf Schlag: Anfang Dezember hat der Hamburger Sternekoch den Posten als Küchenchef im Kempinski Hotel Gravenbruch übernommen – kurz bevor ihm und seinem rund 30-köpfigen Team mit Weihnachten und Silvester die wichtigsten Feiertage des Jahres ins Haus stehen. Im Interview spricht er über seine Pläne, die Einbindung der Region in das kulinarische Konzept der Hotelgastronomie und welches Gericht er privat gerne an Feiertagen kocht.

Herr Juhnke, wenn Sie am Silvesterabend nicht arbeiten müssten, sondern Freunde oder Familie zu Gast hätten: Was würden Sie kochen?

Was an solchen Tagen immer gut geht, ist ein Fondue. Wenn ich in der Vergangenheit an Silvester mal freihatte, dann haben wir ein chinesisches Fondue mit einem großen Topf Brühe in der Mitte gemacht, den Tisch voller Gemüse, Fleisch und etwas Meeresfrüchten. Das ist ein sehr kommunikatives Gericht, das sich gut vorbereiten lässt. An solchen Tagen ist es nicht gut, wenn der Gastgeber stundenlang in der Küche steht, wenn die Gäste schon da sind, sondern er sollte mitfeiern, Spaß haben und es sich gut gehen lassen.

Was macht für Sie einen guten Gastgeber aus?

Zuallererst eine gewisse Herzlichkeit: Es geht darum, seine Gäste mit offenen Armen und einem Lächeln zu empfangen. Für mich kommt es in meinem Beruf außerdem darauf an, den Gästen ihre Wünsche von den Augen abzulesen und ihnen so eine gute Zeit zu geben, weil genau deshalb gehen Menschen weg – sie wollen etwas erleben, sie wollen etwas bekommen, was sie zu Hause nicht haben. Ihnen das zu ermöglichen, macht für mich einen guten Gastgeber aus.

Sie haben bislang vor allem in der Sternegastronomie gearbeitet, waren zuletzt selbstständig, unter anderem mit einem Pop-up-Restaurant. Welche Unterschiede haben Sie zwischen Ihren Gästen festgestellt?

Gäste wissen heutzutage sehr genau, was sie wollen und was sie erwarten. Das liegt daran, dass der Informationsfluss rund um Gastronomie ganz anders ist als noch vor zehn oder 20 Jahren. Insofern sind die Unterschiede zwischen verschiedenen Gästeklientel kleiner geworden, die jeweiligen Ebenen der Erwartungen unterscheiden sich nur. Für mich kommt es darauf an, zu erkennen, worauf der Gast achtet, was er braucht, und dann die passende Antwort zu geben. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt, das man sich über die Jahre erarbeiten muss.

Vegane und vegetarische Küche muss in einem gastronomischen Konzept heutzutage genauso wichtig sein wie Fisch und Fleisch.

Björn Juhnke

Mit Ihrem Pop-up-Restaurant waren Sie in der vegetarischen und veganen Küche unterwegs. Ist dieser kulinarische Zweig inzwischen selbstverständlich?

Ich glaube, er wird immer selbstverständlicher, ist es aber noch nicht. Ich selbst esse nach wie vor Fleisch, wenn auch sehr reduziert und sehr ausgewählt. Das Thema vegetarische oder vegane Ernährung ist aber ein immens wichtiges, weil es so vielschichtig ist, geht es doch einerseits um Ernährung, andererseits aber auch um Gesundheits- und Umweltaspekte. Mit dem Restaurant in Hamburg wollten wir uns ausprobieren und einen Beitrag dazu leisten. Gleichzeitig haben wir ein großes Netzwerk an Lieferanten und Produzenten von veganen und vegetarischen Produkten aufgebaut, weil das inzwischen einfach ein sehr großes Geschäftsfeld ist, in dem man schnell die Übersicht verliert. Es ist unglaublich, wie viele spannende Projekte in diesem Bereich am Start sind. Ich glaube, es wird ein starker und wichtiger Teil der Gastronomie der Zukunft. Diese Art von Küche muss in einem gastronomischen Konzept heutzutage genauso wichtig sein wie Fisch und Fleisch.

Was sind darüber hinaus die großen Trends in der Branche?

Qualität ist und bleibt das Wichtigste. Ich glaube, dass sich die Schere zwischen hochwertiger Küche und Systemgastronomie weiter auseinander bewegen wird. Es gibt fast schon gar keinen Mittelweg aus einer wertigen und regionalen Küche mehr, wie es sie früher im klassischen Gasthaus oft gab. Dabei ist auch das für mich ein Trend: eine gastronomische Geschichte zu erzählen, die man bis zum Grundprodukt nachverfolgen kann. Ein weiterer Trend ist für mich die Länderküche, denn die Menschen reisen durch die Welt, alles findet sich in den Sozialen Medien wieder und deshalb ist es wichtig, gute und authentische Küche aus verschiedenen Ländern und Regionen der Welt zu präsentieren. Ich möchte nicht, dass wir all diese Dinge in einem Restaurant vermischen, weshalb wir verschiedene Projekte und Auskopplungen in den Restaurants machen werden.

Sie sind mit dem Statement angetreten, dass Handkäse und Apfelwein von der Karte verschwinden. Was steckt dahinter?

Bevor ich mich entschieden habe, hierher zu wechseln, war ich mehrmals vor Ort und war sehr überrascht von der Küche, weil ich diese gar nicht kannte. Es ist eine tolle, regionale Küche, die ich sehr spannend finde, in die ich mich aber erst einarbeiten muss. Natürlich habe ich schon viele Geschichten und Rezepte von meinen Kollegen gehört, die von hier sind. Aber in der nächsten Zeit wird es für mich darum gehen, in die Region zu fahren, die gastronomische Szene kennenzulernen, viel zu essen und mit Erzeugern und Produzenten in Kontakt zu kommen. Das macht meinen Beruf so spannend: vollständig in eine Region eintauchen und ein Verständnis für sie entwickeln.

Was macht die Faszination Kochen für Sie darüber hinaus aus?

Ganz kurz: die Atmosphäre in der Küche. Ich könnte mir nur schwer vorstellen, nicht in der Küche zu stehen, eine Lieferung zu bekommen, die Produkte auszupacken, daraus etwas Fantastisches zu kochen und anschließend das Feedback der Gäste einzuholen – das lässt mich nicht los. Ich glaube, es ist kein Beruf, der einfach gewählt wird, denn es ist eine Arbeit, die mit sehr viel Leidenschaft ausgeführt werden muss, zumal er auch keine Arbeitszeiten von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr bietet oder große Reichtümer verspricht.

Es geht in fast jedem Beruf auch mal etwas rauer zu, aber ich bin kein großer Freund davon, herumzuschreien und mit Töpfen zu werfen.

Björn Juhnke

Was bedeutet das für Sie als Küchenchef im Umgang mit Mitarbeitern?

Für mich geht es darum, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle Mitarbeiter Spaß haben. Dann ist es nämlich egal, ob man sechs oder acht oder an Tagen wie Silvester auch mal zehn oder zwölf Stunden arbeitet, wenn das an anderen Tagen wieder kompensiert wird und man Teil eines funktionierenden Teams ist.

Wie steht es um den berühmt-berüchtigten Ton in der Küche?

Es geht in fast jedem Beruf auch mal etwas rauer zu, aber ich bin kein großer Freund davon, herumzuschreien und mit Töpfen zu werfen. Andererseits arbeiten wir in einem Umfeld, in dem Dinge in einer gewissen Qualität minutengenau produziert werden müssen. Die Menschen haben eine hohe Erwartung, weil sie viel Geld dafür bezahlen. Da ist die Fehlertoleranz gering. Da werde ich in der Küche also schon auch mal etwas deutlicher und mache eine Ansage. Aber das ist immer nur eine Momentaufnahme, danach ist alles vorbei, das Feierabendbier geht auf und es kann geraucht werden. Viele Köche sehen sich als Künstler, ich sehe mich als Handwerker und Dienstleister. Das bedeutet, ich habe manchmal einen harten Beruf, aber auch einen verdammt guten, der mich befriedigt.

Wie führen Sie Ihr Team?

Es gehört eine Portion Humor und Verständnis dazu, denn wir arbeiten mit verschiedenen Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft zusammen. Es gilt, alle unter einen Hut zu bringen. Wenn man vernünftig kommuniziert, das Team involviert und notfalls jemanden noch einmal etwas gesondert erklärt, ist die Bereitschaft, mitzuziehen, größer – und das senkt die Wahrscheinlichkeit, dass es knallt.

Wie gehen Sie bei der Umsetzung Ihrer verschiedenen Vorhaben vor?

Das Haus bietet verschiedene Restaurants und Bars, die aktuell nicht bespielt werden, in denen wir aber viele Dinge implementieren können. Da das Hotel nicht in der Frankfurter City liegt, wo man einfach vor die Tür geht und viele verschiedene Restaurants hat, möchten wir unseren Hotelgästen jeden Tag etwas Neues bieten. Gleichzeitig möchten wir aber mit unserer etwas abseitigen Lage auch eine Möglichkeit für Gäste aus der Region sein, mal rauszukommen. Das große Ziel ist, für alle Gäste ein offenes Haus mit offenen Türen zu sein.

Zum Abschluss: Was ist Ihre persönliche Empfehlung für Gäste aus der Region?

Was immer geht, ist für ein Frühstück vorbeizukommen. Ich habe schon in vielen Hotels gearbeitet, aber das Frühstücksbuffet ist wirklich toll. In der Winterzeit kann man zudem in der Bar einen tollen Cocktail genießen, während man am Kamin sitzt. Das macht auch immer Spaß.

Zur Person

Für Björn Juhnke ist das Kempinski-Hotel in Gravenbruch bereits die vierte Station bei der ältesten Luxushotelgruppe Europas. Er arbeitete bereits in Heiligendamm, St. Moritz und Bratislava für die international tätige Gruppe, war darüber hinaus in London und Prag für Starkoch Gordon Ramsay tätig und zuletzt mit seinem Restaurant „Haco“ auf St. Pauli, das mit einem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, sowie einem Pop-up-Restaurant in Hamburg und einer Dependance auf Rügen sechs Jahre selbstständig. Der 44-jährige Familienvater ist seit 1996 in der Gastronomie aktiv, als er in einem Fünf-Sterne-Hotel in Warnemünde seine Ausbildung begann.

Das Gespräch führte Philipp Keßler.

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