Buchtipps

Neue Bücher: 11 wirklich gute Sachbücher und Romane für Ihre Sommer-Leseliste

Ein kaltes Getränk in der einen, ein fesselndes Buch in der anderen Hand – so sieht unsere Definition eines gelungenen Sommertages aus. Damit Ihnen der Lesestoff nicht ausgeht, haben wir eine Liste neuer Bücher zusammengestellt.
Neue Bücher Buchtipps für den Sommer 2024
Amberly Valentine / Blaublut-Edition.com

VOGUE-Buchtipps: Neue Bücher für den Sommer 2024

Eintauchen, durchatmen: Unsere Autorin hat für Sie die interessantesten Neuerscheinungen herausgesucht: Diese elf Sachbücher und Romane sorgen garantiert für gute Stimmung, optimistische Ideen und einen gelungenen Lesesommer.

Neue Bücher: Das sind unsere Buchtipps für den Sommer 2024

Sara Weber, "Das kann doch jemand anderes machen!", Kiepenheuer & Witsch
Kiepenheuer & Witsch

Worum es geht: Künstliche Intelligenz malt Bilder, schreibt Zeitungsnachrichten oder plant den nächsten Urlaub. Schön für sie. Was wir aber eigentlich wollen, ist, dass sie die Wohnung aufräumt, lästige Rechnungspflichten übernimmt und nervige Formulare für uns ausfüllt. Genau damit setzt sich Sara Weber auseinander. Sie stellt die richtigen Fragen wie: Was kann uns KI abnehmen, damit wir wieder mehr Zeit für Freundschaften und Familie haben? Wo gewinnen wir Spaß und Lebenszeit zurück mit der richtigen Unterstützung? Und wie kommen wir dahin, dass alle weniger Unnötiges abarbeiten müssen, um uns den Bereichen in unserem Beruf zu widmen, die alle voranbringen?

Darum müssen Sie es gelesen haben: In der Pandemie haben die allermeisten ihre Füße still gehalten, was ihre Karriere angeht. Zu groß war die Sorge vor der Zukunft, keine Zeit für berufliche Experimente. Verständlich. Aber wie oft haben Sie seither darüber nachgedacht, hinzuschmeißen? Oder vielleicht haben Sie bereits gekündigt? Sara Weber gibt für diesen Schritt die richtigen Denkanstöße. Denn das Leben ist zu kurz für Bullshit-Jobs.

Erscheint am 15. August.


Judith & Christian Vogt, "Ich, Hannibal", Piper
Piper Verlag

Worum es geht: Hannibal und die Elefanten, genau. Aber Plot-Twist: Hannibal ist eine Frau. Genau genommen ist sie die Mörderin Hannibals, die beschlossen hat, das Heer auf seinem größten Feldzug selbst anzuführen. Dabei dürfen übrigens 218 vor Christus auch ein paar Sphinxen, diverse Harpyien und allerlei andere Monster nicht fehlen. Das ist nicht das, was Sie aus Ihrem Geschichtsbuch in Erinnerung haben? Ja, zum Glück.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Die deutsche Fantastik ist nicht unbedingt dafür bekannt, besonders progressiv zu sein. Das Autor:innen-Duo setzt da immer wieder einen angenehmen Gegenpol. Mühelos schaffen die Vogts es hier, Hannibal mit einer feministischen Perspektive zu erzählen. Dabei behandeln sie auch ganz aktuelle Fragen wie: Was definiert sich als monströs? Inwieweit hat uns da das Patriarchat wieder jahrhundertelang Schund ins Ohr geflüstert? Was bedeutet Macht? Und warum ist die Menschheit so verliebt in Kriege? Am Ende dürfen die Lesenden selbst entscheiden, wer in Wahrheit eine Bestie ist. Wir bestätigen Ihnen gern eine Vermutung: Die Elefanten sind es nicht. Die Bestie läuft meist auf zwei Beinen.


Dr. Sharon Brehm, "Wiederherzgestellt", Südwest
Südwest Verlag

Worum es geht: Beziehungsratgeber gehen oft von einem Startpunkt im Mangel aus. Was aber, wenn man dort glücklich angekommen ist, wo man sein möchte, und merkt, dass es da aber ganz schön viel eigenes Gepäck gibt, das diese Beziehung belastet? Dr. Sharon Brehm geht alten Glaubenssätzen auf den Grund, analysiert und gibt Hilfestellung – immer auf Augenhöhe, nie belehrend. Sie führt durch den aktuellen wissenschaftlichen Status quo, problematisiert aber nicht. Ihr Motto ist nicht: Du musst nur hart genug an dir arbeiten, dann wird alles gut.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Bücher dieser Art gaukeln gern einen einfachen Königsweg vor. Dabei gehen die Autor:innen oft von sich als Maß aller Dinge aus. So, wie sie es erlebt und gelöst haben, muss es richtig sein. Wenn nur jede:r das täte, was sie getan haben, wäre alles paletti. Das ist natürlich Quatsch. Menschen sind verschieden, bringen unterschiedliche Eigenschaften, Verletzungen und Erlebnisse mit. "One fits all" ist ein Marketingmythos, anekdotisches Wissen ist nett, aber na ja. Dr. Brehm erklärt faktisch, aber freundlich. Und vor allem: konkret. Ein wirklich außerordentlich toller Ratgeber ist hier gelungen.


Dani Shapiro, "Leuchtfeuer", Hanser Blau
Hanserblau Verlag

Worum es geht: Die Geschwister Sarah und Theo verbindet ein bitteres Geheimnis: In einer Sommernacht 1985 sind sie in einen Autounfall verwickelt, der ihre Biografien nicht mehr loslassen wird. Was damals passierte, beeinflusst auch noch nach Jahrzehnten das Leben ihres Vaters Ben und das des später zugezogenen Nachbarsjungen Waldo. Mehr kann hier nicht verraten werden, sonst nehmen wir Ihnen die Bauchkribbeln-Momente beim Lesen. Denn davon werden Sie in diesem erzählerischen Meisterwerk einige haben.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Die Autorin Dani Shapiro hat hier eine komplexe Geschichte erschaffen, die auf mehreren Zeitebenen und aus der Perspektive verschiedener Figuren erzählt wird. Damit spinnt sie eine kluge Familiensaga über transgenerationale Traumata, Elternliebe und die oft unerkannte Schwere, ein Kind sein zu müssen. Das Buch ist so fantastisch erzählt, dass man Shapiro ihr Erzähluniversum zu jeder Zeit abnimmt. Auch in übernatürlichen Momenten. Wie eine gute Serie muss man "Leuchtfeuer" am Stück durchbingen – manchmal vergisst man sogar dabei das Atmen vor Spannung.


Cora Wucherer, "Das war Kunst, jetzt ist es weg", Dumont
Dumont Verlag

Worum es geht: Kunstunfälle. Und zwar die ganze Palette von stümperhafter Restauration über Menschen, die Kunstwerke für Müll hielten und entsorgten, zu mutwilliger oder versehentlicher Zerstörung. Ein hervorragendes Beispiel ist direkt auf dem Cover des rechteckigen Coffee Table Book zu sehen: das Jesus-Fresko "Ecce Homo", das nach der misslungenen Restaurierung im Internet gehässig "Ecce Monchhichi" getauft wurde. Verantwortlich dafür war 2012 die damals 81-jährige Spanierin Cecilia Giménez. Sie erblickte unweit von Saragossa in der Kirche Sanctuario de Misericordia in Borja das Fresko von Elías García Martínez aus dem Jahr 1930 und dachte sich wohl: "Bisschen Farbe verträgt das Ding nach so langer Zeit." Das Ergebnis spricht für sich. Jesus sieht nun eher aus wie ein Monchhichi-Äffchen, ein Kuscheltier-Klassiker aus dem letzten Jahrhundert. Für Borja und die kleine Kirche hatte die misslungene Restaurierung übrigens einen unerwartet guten Ausgang. Seither ist es Anziehungspunkt für Tourist:innen aus der ganzen Welt, die das berühmte Meme live sehen wollen. Die lassen natürlich auch viel Geld in dem sonst eher durchschnittlichen Ort. Borja hat mittlerweile sogar aus Dank ein Museum für die Hobbymalerin Giménez errichtet. Kein Witz.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Wann haben Sie heute zuletzt laut gelacht? Und wenn heute noch gar nicht, wann in den letzten sieben Tagen? Falls Sie sich auch da nicht erinnern können, brauchen Sie dringend dieses Buch. Die Bilder allein sorgen schon für Tränen in den Augen, aber die Art und Weise, wie Cora Wucherer die Vor- und Unfälle beschreibt, ist mindestens ebenso lustig. In kurzen informativen Texten erklärt sie, was passiert ist. Und diese Geschichten sind oft so unglaublich, dass man ernsthaft an der Menschheit zweifelt. Aber lesen Sie doch einfach selbst.


Toxische Pommes, "Ein schönes Ausländerkind", Zsolnay
Hanserblau Verlag

Worum es geht: Die Protagonistin flieht in den Neunzigerjahren als kleines Mädchen mit ihren Eltern aus Rijeka während der Jugoslawienkriege nach Wiener Neustadt. Sie kommen bei einer österreichischen Familie in einer Art Einliegerwohnung unter. Die Mutter putzt und hält das Haus der vermeintlichen Gönner:innen in Ordnung, der Vater bekommt keine Arbeitserlaubnis und wird so für dieses Jahrzehnt eher untypisch zum Elternteil mit der meisten Care-Arbeit. Die Tochter? Versucht, möglichst nicht aufzufallen und die perfekte Migrantin zu sein. Je mehr sie sich anpasst, desto offensichtlicher wird ihr, dass sie anders zu sein scheint. Während die Jahre ins Land gehen, verlieren beide auf ihre Art Teile ihrer Identität. Als erwachsene Frau zieht die Protagonistin ein trockenes Resümee.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Weil Toxische Pommes, die in Wirklichkeit Irina heißt und ihren Nachnamen bewusst weglässt, auch auf Langstrecke so lustig, bissig und messerscharf erzählt wie in ihren Social-Media-Formaten. Sie schafft es, die Lesenden bis ins Mark zu rühren, um ihnen dann nur ein paar Zeilen später brutal den Spiegel vorzuhalten. Oder eher: ihnen den verdammten Spiegel mit Karacho über den Kopf zu ziehen. "Ein schönes Ausländerkind" ist politisch, ohne gewollt oder anbiedernd zu sein. Die Beobachtungen der Protagonistin brauchen keine Puderzuckerschicht, sie kommen ohne effekthaschende Bilder aus. Die Realität reicht völlig, um alle daran zu erinnern, was Menschlichkeit bedeuten könnte. Die europäische Willkommenskultur ist es schon mal sicher nicht. Weder in den Neunzigerjahren noch aktuell.


Julia Fritzsche, "Oben ohne", Nautilus Flugschrift
© Edition Nautilus

Worum es geht: Nippel. Das haben Sie sich schon gedacht, nicht wahr? Konkret natürlich um die Sexualisierung weiblicher Brustwarzen. Schließlich werden die immer noch auf Social Media sofort vom Anbieter gelöscht und im Freibad moniert. Männer, die oberkörperfrei durch die Innenstadt joggen, sind hingegen kein Problem. Dabei handelt es sich hier doch um die gleichen Körperteile, oder? Oder? Oder? Ja, also, was denn jetzt eigentlich und warum so viele Oders?

Darum müssen Sie es gelesen haben: Die preisgekrönte Journalistin Julia Fritzsche nimmt die Lesenden mit durch die Geschichte der immer wiederkehrenden Nipplegates. Sie analysiert klug, wer über weibliche Brüste bestimmt, warum Scham eine tragende Rolle in der Diskussion innehat, und beantwortet natürlich die Frage, ob es nichts Wichtigeres gibt, als sich über nackte Brüste zu streiten. Dabei bleibt sie immer sachlich und ausgewogen – im Gegensatz zu ihren Meinungsgegner:innen. Nackte weibliche Brüste sind nämlich natürlich oft mit viel Emotion verbunden. Am Ende bietet die Autorin auch Lösungen für den Konflikt an. Zugegeben, die werden nicht allen gefallen. Da ist die Erkenntnis, dass Frauen und ihre persönlichen Entscheidungen auch gar niemandem gefallen müssen, doch einmal mehr ziemlich hilfreich. Oder um es mit Fritzsches Worten zu sagen: "Es gibt keinen rationalen Grund, manche Brüste zu sexualisieren, andere nicht – und niemand hat uns im Freibad, Hallenbad, Park oder Fitnessstudio gefragt, ob wir unsere Brüste sexualisiert haben möchten." Genau. Wir wünschen Ihnen viel Spaß diesen Sommer, egal, was Sie tragen. Oder eben nicht.


Rebecca F. Kuang, "Yellowface", Eichborn
Eichborn Verlag

Worum es geht: Athena Liu ist eine erfolgreiche sino-amerikanische Schriftstellerin. Ihre weiße Freundin June Hayward leider nicht. Genau genommen ist June deshalb auch ziemlich eifersüchtig – und findet allerlei Gründe, warum Athena ihren Erfolg eigentlich gar nicht verdient hat. Dann stirbt die Bestsellerautorin bei einem Pfannkuchen-Wettessen (ja, richtig gelesen), und June reißt deren letztes unveröffentlichtes Manuskript an sich. Nach ein paar Überarbeitungsschleifen bringt sie ihren Roman über chinesische Zwangsarbeiter heraus. Aber ist es überhaupt ihrer? Oder doch Athenas? Wo fängt Junes Erzählung an, wo hört Athenas auf? Ab hier beginnt ein dichter Krimi, der Themen wie Urheberschaft, widersprüchlichen Social-Media- Aktivismus, Tokenism, Rassismus, Manipulation durch Marketing und Eitelkeit brutal scharfsinnig beobachtet und entlarvt.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was es braucht, damit ein Buch ein Bestseller wird? Sagen wir so: Klar, der Stoff sollte gut sein. Aber dann gehören noch ziemlich viele Marketingelemente dazu, damit ein Titel durch die Decke geht. Und ja: Ganz oft entscheidet sich das schon weit vor dem Veröffentlichungstermin. Rebecca F. Kuang ist mit "Yellowface" etwas ganz Beeindruckendes gelungen: Sie prangert seitenweise die Fucked-up-ness der Verlagswelt an. Sie beschreibt detailliert, was in Hinterzimmern passiert, wie Erfolg erzwungen wird und was es dafür braucht, ein:e auserwählte:r Autor:in zu sein. Eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass dieser Roman überhaupt erschien, müssten sich doch einige Entscheider:innen bei der Lektüre mal kurz räuspern. Falls Sie sich zwischendurch beim Lesen fragen, ob Kuang übertreibt, können wir Ihnen versichern: Nein, tut sie nicht.


Anton Weil, "Super einsam", Kein & Aber
Kein & Aber Verlag

Worum es geht: Vito und seine schmerzhaft selbstmitleidigen Gedanken kurz nach der Trennung von seiner Freundin Maria. Mitten in Berlin triftet der junge Mann immer weiter aus seiner eigenen Realität. Auf der Suche nach sich, nach Geborgenheit und Anerkennung muss er einsehen: Da ist niemand. Wahrscheinlich kommt da auch niemand mehr. Oder doch?

Darum müssen Sie es gelesen haben: Halten Sie die ersten Seiten durch. Es lohnt sich. Ja, dieser anfängliche Stream of Consciousness ohne Satzenden à la Marlene Streeruwitz ist anstrengend, aber akkurat für die Figur und ihre Erzählperspektive. Anton Weil hat einen Sprachstil für seinen Protagonisten gefunden, der ziemlich gut die Probleme seiner Generation symbolisiert. Außerdem hat selten jemand einen Ausraster bei Ikea so adäquat rekonstruiert wie er. Toll!


Paula Irmschler, "Alles immer wegen damals", DTV
dtv

Worum es geht: Karla und Gerda, zwei Frauen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Blöderweise sind sie Mutter und Tochter und müssen irgendwie miteinander auskommen. Aber auskommen kann ja auch meiden und nie melden sein, finden sie. Bis Karlas Geschwister den beiden eine gemeinsame Reise schenken, die alles in ein neues Licht rückt.

Darum müssen Sie es gelesen haben: Mutter-Tochter-Narrative sind in der Literatur ein spröder Evergreen. Am besten verkaufen sie sich, wenn das Verhältnis ordentlich problematisiert wird. Das tut Paula Irmschler ihren Figuren aber zum Glück nicht an. Stattdessen beleuchtet sie aus zwei Erzählperspektiven mit viel Witz das Konstrukt Herkunftsfamilie und zeigt, dass manchmal die Wahlfamilie einfach die bessere ist. Danke.

Ciani-Sophia Hoeder, "Vom Tellerwäscher zum Tellerwäscher", Hanserblau

Hanserblau Verlag

Worum es geht: Armut wird gern als individuelles Versagen abgetan, obwohl es meist ein strukturelles Problem ist. Herkunft, Hautfarbe, Elternhaus, Milieu – das alles beeinflusst unseren Werdegang viel mehr als persönliche Leistung und Ehrgeiz. Aber ganz unabhängig von Armut oder Reichtum: Haben Sie sich schon mal gefragt, wo Sie stünden mit anderen Startvoraussetzungen?

Darum müssen Sie es gelesen haben: Klassismuskritik ist wichtig, aber oft so knochentrocken in Sachbüchern zusammengefasst, dass man sich lieber heiße Nadeln in die Augen stechen würde, als noch einen weiteren Satz zu lesen. Ciani-Sophia Hoeder schafft es in ihrem Werk, die Problematik so klug und eingängig aufzubereiten, dass man es gar nicht mehr weglegen will.

Dieser Artikel ist Teil unserer VOGUE-Ausgabe für Juli/August 2024, die jetzt im Zeitschriftenhandle erhältlich ist. Die limitierte VOGUE-Collector's-Sonderausgabe können Sie hier auf Amazon oder im streng limitierten Abo-Deal mit drei weiteren VOGUE-Ausgaben und 10€-Gutschein bestellen.

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