Interview

Carolina Cucinelli im Business-Gespräch mit VOGUE: "Kreativität bedarf einer schönen Umgebung und einer angemessenen Arbeitszeit"

Erfahrungen werden wertvoller, wenn man sie teilt: VOGUE traf Carolina Cucinelli, Co-Präsidentin und Co-Kreativdirektorin von Brunello Cucinelli, zum Business-Talk.
Carolina Cucinelli
Brunello Cucinelli

Carolina Cucinelli: Im Business-Talk mit VOGUE spricht sie über die Bedeutung von Storytelling bei jungen Kund:innen

Carolina Cucinelli, Tochter des Gründers der italienischen Luxusmarke Brunello Cucinelli, wollte eigentlich nur die Zeit zwischen Schule und Universität überbrücken und schnupperte daher in die Firma der Familie hinein. 12 Jahre später ist sie als Co-Präsidentin und Co-Kreativdirektorin fest im Unternehmen verankert – und hat eine klare Vision für die Zukunft von Brunello Cucinelli.

Im Business-Talk mit VOGUE spricht sie darüber, wie wichtig Lebensqualität am Arbeitsplatz ist und welche große Bedeutung das richtige Storytelling einer Marke bei jungen Kund:innen hat.  

Carolina Cucinelli im Business-Talk mit VOGUE über Storytelling bei jungen Kund:innen

VOGUE: Brunello Cucinelli, die Modemarke Ihres Vaters, sitzt in Solomeo, einem kleinen Dorf. Was bedeutet dieser Standort für Sie persönlich? 

Ich wurde hier geboren, daher liegt mir der Ort natürlich sehr am Herzen. Aber es geht nicht nur um unser Unternehmen, sondern auch um das Dorf und die Gemeinschaft. Irgendwie sind alle Bewohner:innen von Solomeo Teil dieses großen, gemeinsamen Projekts. Solomeo ist für mich auch ein Safe Space, an dem ich stets die richtige Balance im Leben finden kann. Für mich, meine Familie, meinen Mann und mein Kind. Natürlich ist es für neue Mitarbeiter:innen, die aus der Großstadt kommen, zunächst eine Umstellung. Aber hier finden sie einen Arbeitsplatz, der viel Lebensqualität bietet. Ich bin der Meinung, dass Kreativität einer schönen Umgebung und einer angemessenen Arbeitszeit bedarf. 

Liegen Ihnen Werte wie Nachhaltigkeit mehr am Herzen, weil Sie auf dem Land leben?

Das Konzept oder Wort wurde damals zwar nicht ausdrücklich so erwähnt, aber Nachhaltigkeit war schon vor über 40 Jahren bei der Gründung unseres Unternehmens die Basis. Wir möchten ein Produkt herstellen, das weder Natur noch Tieren oder Menschen schadet. Heute spielt Nachhaltigkeit bei den jüngeren Generationen eine weitaus wichtigere Rolle. Ich habe den Eindruck, sie kaufen weniger, aber dafür hochwertiger. Und: Sie achten darauf, wie genau die jeweiligen Lieferketten hinter jedem einzelnen Produkt aussehen. 

Sie sind mit 19 Jahren ins Familienbusiness eingestiegen, fingen aber damals in der Produktion an. Hilft Ihnen diese Erfahrung heute?

Definitiv! Ich habe schon als Kind viel Zeit in den Werkstätten verbracht. Die dortigen Schneiderinnen haben mich gewissermaßen als ihre Enkelin adoptiert und brachten mir das Stricken und Nähen bei, indem wir aus Stoffresten Kleider für meine Puppen fertigten. Sie waren der Anstoß für die Leidenschaft, die ich heute für meine Arbeit empfinde. Nach der Schule wollte ich dann zunächst nur knapp ein Jahr in das Unternehmen schnuppern, bevor es mit der Uni losgehen sollte – zwölf Jahre später bin ich immer noch hier. (lacht) Dass ich zu Beginn unterschiedliche Abteilungen durchlief und mich quasi hocharbeiten musste, war natürlich hilfreich, um die Unternehmensstruktur zu verstehen und alle Abläufe kennenzulernen. Aber vor allem hat es mir dabei geholfen, herauszufinden, wie ich ganz persönlich zum Erfolg der Firma beitragen kann. 

Und was bedeutet das für Sie konkret? 

Dafür zu sorgen, dass Brunello Cucinelli bei der neuen Generation von jungen Kund:innen relevant ist. Ich denke, das ist eine unserer größten Herausforderungen. Diese Verbindung herzustellen. Dafür ist es enorm wichtig, unsere Geschichte, unsere Philosophie und unsere Vision auf anderen Kanälen und aus anderen Blickwinkeln zu erzählen. Das richtige Storytelling ist entscheidend. Und immer die Wahrheit zu sagen. Die junge Generation erkennt doch sofort, wenn etwas nicht der Realität entspricht. Für mich ist es schon ein großer Erfolg, wenn es uns gelingt, einen jungen Menschen für unsere Geschichte zu begeistern, selbst wenn diese Person dann kein:e Kund:in wird. Ich möchte vermitteln, dass wir viel mehr sind als ein Produkt, das man kauft und im besten Fall für eine sehr lange Zeit trägt. 

So wie mit dem "Be Your Change"-Projekt? 

Genau! Die Idee dahinter ist, die unterschiedlichsten Menschen verschiedener Altersgruppen und Gesellschaftsschichten über unsere Kanäle wie zum Beispiel Instagram von ihren täglichen Herausforderungen erzählen zu lassen. Soziale Medien gaukeln oft diese perfekte Welt vor, die nur selten der Realität entspricht – und die folglich nicht selbst erreicht werden kann. Eine frustrierende Erfahrung, vor allem für Jüngere. Das Leben hat eben nun mal Höhen und Tiefen. Wichtig ist, dass wir bereit und offen sind für Veränderungen. Denn: Selbst kleine Veränderungen eines:r Einzelnen können große für die Welt bringen.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Dezember-Ausgabe 2022. Entdecken Sie das Heft im Zeitschriftenhandel oder lassen Sie es sich bequem zu sich nach Hause liefern – zum Beispiel über Amazon.

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