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Das Hitler-Attentat - Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944

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Das Deutsche Reich wieder eine Großmacht? Den Versailler Vertrag einfach vom Tisch fegen? Solche Visionen teilten führende Militärs mit dem frisch zur Macht gekommenen NS-Regime. Doch Hitlers riskante Expansionsziele stießen auch auf Zweifel in Teilen der Militär-Elite. Als sich später die Niederlage abzeichnete, versuchte die militärische Opposition das NS-Regime zu stürzen. Eine demokratische Zukunft, die am Weimarer Zeiten angeknüpft hätte, war aber nicht geplant. Von Renate Eichmeier

Credits
Autorin dieser Folge: Renate Eichmeier
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Katja Bürkle, Peter Veit
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Thomas Morawetz

Im Interview:
Prof. Dr. Johannes Hürter, Institut für Zeitgeschichte München
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Noch mehr Interesse an Geschichte? Dann empfehlen wir:
ALLES GESCHICHTE - HISTORY VON RADIOWISSEN

Literaturtipps:

Thomas Karlauf: Stauffenberg. Porträt eines Attentäters – detaillierte Biographie und Darstellung von Stauffenbergs Denken und Persönlichkeit (relativ neu von 2019)

Manfred Messerschmidt: Die Wehrmacht im NS-Staat. Zeit der Indoktrination (dickes Standardwerk von 1969 mit vielen Infos, gut um bestimmte Themen nachzulesen oder nachzuschlagen)

Linktipp: Institut für Zeitgeschichte HIER

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an [email protected].

Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

O1 HÜTER:

Eigentlich hat sich die Militärelite in sehr weitgehender Form auf den Nationalsozialismus, auf Hitler, auf die Kriegspolitik, auf die Kriegszielpolitik auch eingelassen und später dann sich auch an dem Vernichtungskrieg beteiligt.

ERZÄHLERIN:

Sagt Professor Dr. Johannes Hürter vom Institut für Zeitgeschichte in München. Als dann mit der verlorenen Schlacht um Stalingrad eine deutsche Kriegsniederlage drohte, beschlossen Angehörige der Wehrmachtsführung, das NS-Regime zu stürzen. Am 20. Juli 1944 detonierte um 12 Uhr 42 eine Sprengladung im Führerhauptquartier Wolfschanze im damaligen Ostpreußen. Die Baracke, in der Adolf Hitler gerade eine Lagebesprechung abhielt, wurde zerstört, einige der Anwesenden wurden getötet. Es sollte der Beginn eines Staatsstreiches sein. Am gleichen Tag meldete der Rundfunk.

MUSIK 2 (Fabian itter: Dark Pulse 0‘20)

ZUSPIELUNG O-Ton Radio

(aus: Autor: Uwe Pagels / Archivnummer: W0550945 101 / 00:46 bis 1:00 / geklärt, rechtefrei)

Auf den Führer wurde heute ein Sprengstoffanschlag verübt. Der Führer selbst hat außer leichten Verbrennungen und Prellungen keine Verletzungen erlitten. Er hat unverzüglich seine Arbeit wieder aufgenommen.

MUSIKENDE

ERZÄHLERIN:

30. Januar 1933. Mit einem nächtlichen Fackelzug durch Berlin feierten die paramilitärischen Schlägertrupps der SA die Ernennung des NSDAP-Vorsitzenden Adolf Hitler zum Reichskanzler. Es war das Ende der Weimarer Republik. Bald waren demokratische Grundsätze und Rechtsstaatlichkeit abgeschafft. Politische Gegner und Menschen, die nicht der rassistischen NS-Ideologie entsprachen, wurden brutal verfolgt.

O2 HÜRTER:

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde von sehr vielen Militärs mit einer gewissen Sorge angesichts der radikalen Tendenzen dieser Partei und dieser Bewegung betrachtet, aber auch mit sehr vielen Hoffnungen. Und unter dem Strich haben die Hoffnungen eigentlich überwogen.

ERZÄHLERIN:

Johannes Hürter war unter anderem an einem Forschungsprojekt zur Wehrmacht in der NS-Diktatur beteiligt.

O3 HÜRTER:

Denn es gab zwischen nationalkonservativen Offizieren auf der einen Seite und Nationalsozialisten auf der anderen Seite sehr viele Schnittmengen in dem, was man vorhatte, was man politisch vorhatte, was man in Hinsicht auf die Aufrüstung vorhatte, was man in Hinsicht auf die Überwindung der Versailler Ordnung vorhatte. Man spricht da auch von großen Teilidentitäten zwischen der nationalkonservativen Militärelite und den Nationalsozialisten.

MUSIK 3 (Johnny Klimek: Plan B 0‘32)

ERZÄHLERIN:

Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages musste Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg alle Kriegsschiffe, Flugzeuge, Panzer, sogenanntes schweres Kriegsmaterial an die Siegermächte ausliefern und das Heer auf hunderttausend Soldaten reduzieren. Schon in den Jahren der Weimarer Republik gab es seitens der Reichswehr Versuche, diese Bestimmungen zu unterlaufen. Mit Beginn der NS-Diktatur hoffte man nun, dass die Wiederaufrüstung Fahrt aufnahm.

O4 HÜRTER:

Also die Hoffnung war schon sehr groß, dass sich unter dieser neuen nationalen Regierung etwas verändert in Richtung Revision des Versailler-Vertrags und in Richtung Aufrüstung der Wehrmacht, Wieder-Erstarkung Deutschlands.

ERZÄHLERIN:

Deutschland wieder eine Großmacht? Diese Vision teilten führende Militärs mit dem NS-Regime und versprachen sich von einem Wiederaufstieg Deutschlands auch eine Rückgewinnung ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, die sie mit dem Ende des Kaiserreiches 1918 verloren hatten. Die neuen NS-Machthaber kamen diesen Erwartungen entgegen. Adolf Hitler versuchte von Anfang an, die Reichswehr in sein Machtsystem zu integrieren und Vertrauen aufzubauen.

MUSIK 4 (Badonviller Marsch 0‘31)

SPRECHER:

Reichswehrminister Werner von Blomberg zeigte sich von den NS-Machthabern begeistert, interpretierte das neue Kabinett als "Ausdruck breiten nationalen Wollens", äußerte sich bewundernd über den neuen Kanzler Adolf Hitler, der "wie ein ganz großer Arzt" fungiere. Er war bereit, die NSDAP innenpolitisch gewähren zu lassen.

MUSIK 5 (Alan Fillip: Entering Space 0‘33)

SPRECHER:

Auch Blombergs Ministeramtschef im Reichswehrministerium, Generalmajor Walter von Reichenau, äußerte sich begeistert: "Hinein in den neuen Staat, nur so können wir die uns gebührende Position behaupten." Und zu den Gewaltexzessen der neuen Machthaber sagte er: "Morsches muss fallen, das kann mit Terror geschehen."

ERZÄHLERIN:

Die militärische Führungsriege hoffte, in einem autoritären NS-Staatsgefüge in der Hierarchie weit oben ihren Platz zu finden. Beunruhigt waren militärische Führungskreise deshalb nicht durch die Abschaffung demokratischer Grundrechte, sondern durch die paramilitärische Konkurrenz der SA. Ihr Führer Ernst Röhm wollte die SA zu einer Art braunem Massenheer ausbauen, in dem die Reichswehr aufgehen sollte. Als Adolf Hitler im Sommer 1934 Ernst Röhm und andere vermeintliche Gegner durch die SS ermorden ließ, gab es seitens der Reichswehr Unterstützung.

SPRECHER:

"Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid" – so die Soldaten der Reichswehr Anfang August 1934. Sie schworen, dass sie Adolf Hitler, dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, ihrem neuen Oberbefehlshaber, unbedingten Gehorsam leisten und bereit sind, ihr Leben für diesen Eid einzusetzen.

ERZÄHLERIN:

Ursprünglich wurde die Reichswehr auf die Verfassung der Weimarer Republik vereidigt. Als Paul von Hindenburg starb, übernahm Adolf Hitler zusätzlich zu seiner Kanzlerschaft das Amt des Reichspräsidenten und wurde damit Staatsoberhaupt. Noch am gleichen Tag ließ Werner von Blomberg die Soldaten der Reichswehr auf Adolf Hitler persönlich vereidigen.

MUSIK 6 (Johnny Klimek: Plan B 0‘29)

SPRECHER:

Ohne Auftrag Hitlers, wie er behauptete. Auch sonstige Äußerungen zeigen ihn regimekonform. "Das erste Jahr der nationalsozialistischen Staatsführung hat die Grundlagen für den politischen und wirtschaftlichen Neubau der Nation gelegt", ließ er verlauten. Und: "Das zweite Jahr stellt die Notwendigkeit der geistigen Durchdringung der Nation mit den Leitgedanken des nationalsozialistischen Staates in den Vordergrund. "

MUSIK 7 (Cliff Martinez: After The Chase 0‘45)

ERZÄHLERIN:

In militärischen Dienststellen und militärischen Fachschulen wurden weltanschauliche Schulungen eingeführt und nationalsozialistisches Gedankengut vermittelt. So gab es zum Beispiel in den Kriegsschulen für die Offiziersausbildung sogenannten "rassenhygienischen Unterricht". 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, damit die Zahl der ausgebildeten Soldaten massiv erhöht, die Reichswehr wurde offiziell in Wehrmacht und der Reichswehrminister in Reichskriegsminister umbenannt. Die militärischen Vorbereitungen für Hitlers Expansionspläne begannen auf Hochtouren zu laufen.

O5 HÜRTER:

Hitler hat die Wehrmachtspitze, sehr früh über seine sehr radikalen außenpolitischen Pläne auch informiert.

ERZÄHLERIN:

So der Historiker Johannes Hürter.

O6 HÜRTER:

Er hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er plant, nach Osten auszugreifen, Lebensraum zu gewinnen. Er hat von Anfang an versucht, die Wehrmachtselite, damals noch die Reichswehrelite, einzubeziehen in sein Programm, in sein außenpolitisches Programm, das letztlich unverkennbar stark auf Krieg ausgerichtet war.

MUSIK 8 (Alan Filip: A Sad One 1’12)

ERZÄHLERIN:

Anfang November 1937 lud Hitler die militärische Führungselite zu einer Besprechung in die Reichskanzlei ein. Anlass waren Streitigkeiten um die Verteilung von Stahlvorräten, die für die Aufrüstung der Streitkräfte gebraucht wurden. Hitler sollte diesbezüglich für eine Klärung sorgen. Neben Reichskriegsminister Blomberg waren unter anderem auch die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Marine anwesend. In einem mehrstündigen Monolog nutzte Hitler nun die Chance, die versammelte Militärspitze detailliert über seine Expansionspläne zu informieren – und ihre Reaktion zu testen. Er betonte, dass militärische Aktionen bezüglich Österreich und der Tschechei beziehungsweise dem Sudetenland in nächster Zukunft geplant seien. Obwohl es eine prinzipielle Übereinstimmung bezüglich einer deutschen Expansionspolitik gab, äußerten Reichskriegsminister Blomberg und auch der Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, starke Bedenken. Sie befürchteten, die Situation könnte eskalieren und zu einem Krieg mit England und Frankreich führen. Johannes Hürter:

O7 HÜRTER:

Es ging der Militärspitze eher um die Zeiträume. Ein Krieg schon Ende der dreißiger Jahre war vielen professionellen Generälen zu riskant, zu gefährlich. Sie haben gedacht, dass die Wehrmacht da noch nicht kriegsfähig ist.

ERZÄHLERIN:

Hitlers Kritiker verschwanden daraufhin Anfang 1938 aus der militärischen Führungsriege. Reichskriegsminister Werner von Blomberg stolperte über seine zweite Heirat mit einer Frau, die in ihrer Jugend wegen Nacktfotos polizeilich aktenkundig geworden war. Und Werner von Fritsch musste gehen, weil Gerüchte über eine angebliche Homosexualität gestreut wurden. Im Laufe der folgenden Monate geriet dann der Generalstabschef des Heeres Ludwig Beck ins Visier Adolf Hitlers, als er versuchte die Generäle des Heeres zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen dessen riskante Kriegsplanungen zu bringen. Auch er musste seinen Posten aufgeben und zog sich ins Privatleben zurück. Er blieb aber nicht untätig, sondern erwies sich als geschickter Netzwerker. Ludwig Beck sammelte gleichgesinnte Militärs um sich und suchte Kontakte zur zivilen Opposition. Dort war sein wichtigster Ansprechpartner der konservative Politiker Carl Friedrich Goerdeler.

MUSIK 9 (Johnny Klimek: Nah 1’01)

Auch Becks Nachfolger als Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, hatte lose Kontakte in oppositionelle Kreise. In – wenn auch – sehr kleinen Teilen der militärischen Führungselite wurden Überlegungen angestellt, wie man sich verhalten solle, wenn Hitler 1938 verfrüht in einen Krieg hineinstolpern würde. Doch ihre Bedenken sollten sich nicht bewahrheiten. Sowohl den deutschen Einmarsch in Österreich als auch die Besetzung des Sudetenlandes konnte die NS-Diktatur als außenpolitischen Erfolg verbuchen. Die Westmächte scheuten eine Konfrontation mit dem Deutschen Reich und billigten mit dem Münchner Abkommen die aggressive Expansionspolitik. Einer möglichen Opposition aus militärischen Kreisen war damit die Grundlage entzogen – so jedenfalls das Narrativ nach dem Zweiten Weltkrieg.

O8 HÜRTER:

Man muss ja auch generell sagen, dass die Militärelite nach 1945 bemüht war, sich nachträglich von Hitler und dem Regime zu distanzieren. Und diese Konstruktion, es habe schon 1938 eine Verschwörung gegeben, einen Widerstand, hat da natürlich gut reingepasst, aber stimmte mit der Realität nicht immer so ganz überein. Da hat man ziemlich an der Wahrheit oder an der Vergangenheit herum manipuliert. Im Grunde war das eine Art Vergangenheitspolitik in eigener Sache, um die Militärelite zu entlasten nachträglich, denn eigentlich hat sich die Militärelite in sehr weitgehender Form auf den Nationalsozialismus, auf Hitler, auf die Kriegspolitik, auf die Kriegszielpolitik auch eingelassen und später dann sich auch an dem Vernichtungskrieg beteiligt.

ATMO Kriegsgeräusche /

MUSIK 10 ( Iva Zabkar: Frühstück / einbruch / mord 1’06)

ERZÄHLERIN:

Als sich mit der verlorenen Schlacht um Stalingrad im Winter 1942/43 eine deutsche Kriegsniederlage abzeichnete, kam Bewegung in das oppositionelle Netzwerk, in dem die zivilen und militärischen Akteure zwar miteinander kommunizierten, aber keine konkreten Umsturzplanungen anstellten. Für letzteres waren ohnehin die Militärs zuständig, während sich die zivile Opposition in erster Linie mit Konzepten für ein zukünftiges Deutschland beschäftigte. Die drohende Kriegsniederlage beunruhigte die Militärs.

MUSIK 11 ( Jens Buchert: Pulse 0‘46)

Was würde aus Deutschland werden im Falle einer bedingungslosen Kapitulation? Wer würde zur Verantwortung gezogen für die Massenmorde, all die Verbrechen, die die deutschen Besatzer in den besetzten Ostgebieten begangen hatten? Der Sturz des NS-Regimes sollte politische Handlungsmöglichkeiten schaffen – vor allem in Hinblick auf Friedensverhandlungen.

Führende Köpfe des militärischen Widerstands waren General Friedrich Olbricht und Generalmajor Henning von Tresckow. Sie bildeten den Kern der späteren Attentatsgruppe. Mit den Widerstandsnetzwerken um Ludwig Beck waren sie bereits seit 1938 in Kontakt. Claus Schenk von Stauffenberg, der das Attentat am 20. Juli 1944 letztendlich ausführte, stieß erst relativ spät zu den Verschwörern.

O9 HÜRTER:

Stauffenberg kommt aus einem rechtsnationalistischen Milieu. Aus dem Grund hat er auch 1933 die Machtübernahme Hitlers und der Nationalsozialisten zunächst durchaus begrüßt, und man findet sogar bis 1942 noch viel Zustimmung. Das bestärkt eigentlich die These, dass er erst ab 1942 und vielleicht sogar auch erst im Laufe des Jahres 1943 auch innerlich zum überzeugten Widerstandskämpfer geworden ist, der dann aber wirklich mit einer unvergleichlichen Konsequenz dieses eine Ziel, nämlich Hitler zu beseitigen, verfolgt hat.

Also da war er die treibende Kraft dann neben sehr vielen anderen militärischen und zivilen Akteuren, die diesen letzten Schritt vielleicht irgendwann gehen wollten, aber mit der Konkretisierung immer Probleme haben, gezaudert haben, den richtigen Augenblick, der vielleicht nie kommen würde, abwarten wollten.

MUSIK 12 ( Iva Zabkar: Fahrt zum Kommissariat 0‘35)

ERZÄHLERIN:

Eine zentrale Rolle bei den militärischen Umsturzplänen spielte das sogenannte Ersatzheer. Das waren Soldaten, teils noch in Ausbildung, teils auch in Reserve, die innerhalb des Deutschen Reiches stationiert waren und es im Krisenfall unter dem Decknamen "Operation Walküre" verteidigen sollten. Als stellvertretender Befehlshaber hatte Friedrich Olbricht Zugriff auf das Ersatzheer. Und Henning von Tresckow hatte die Idee, die Walküre-Planungen für einen Staatsstreich umzuarbeiten.

O10 HÜRTER:

Das war eine fantastische Idee, denn dieser Plan Walküre war von Hitler ja an sich bereits genehmigt und sollte eingesetzt werden gegen mögliche Aufstände, innere Unruhen, Meutereien von Zwangsarbeitern, Kommandounternehmen der Alliierten in Deutschland, also war ein Instrument, ein Planungsinstrument, um Deutschland im Inneren, von inneren und äußeren Angriffen zu verteidigen. Und die geniale Idee Tresckows war, das nun gegen Hitler oder besser gesagt, gegen den Nationalsozialismus zu wenden, und das war eng verknüpft mit dem Plan, Hitler in irgendeiner Form zu beseitigen.

ERZÄHLERIN:

Tresckow, Olbricht und auch Stauffenberg waren maßgeblich an der Umarbeitung des Walküre-Plans beteiligt. Friedrich Olbricht sollte von Berlin aus den Staatsstreich leiten. Nach dem Tod Hitlers sollten die Truppen des Einsatzheeres in Marsch gesetzt, NS-Organisationen ausgeschaltet, deren Führer verhaftet und Dienststellen besetzt werden. Wichtige Rundfunk- und Kommunikations-Einrichtungen wie Fernsprech-, Fernschreib- und Funkverbindungen wollte man übernehmen und in Berlin eine neue Regierung installieren. Soweit in groben Zügen der Plan für den Sturz des NS-Regimes.

O11 HÜRTER:

Es war zunächst nicht geplant, dass Stauffenberg der Attentäter ist. Das hat sich erst so entwickelt. Denn Stauffenberg war ja gleichzeitig auch einer der Hauptorganisatoren des Staatsstreiches und sollte eigentlich ursprünglich gar nicht in diese Gefahr gebracht werden, dass er bei dem Versuch eines Attentats vielleicht dann auch selbst getötet werden könnte. Das hat sich nach und nach entwickelt. Es hat sich vor allem entwickelt, weil Stauffenberg dann in diesen Monaten derjenige war, der am leichtesten Zugang zu Hitler hatte.

ERZÄHLERIN:

Bereits vor dem 20. Juli 1944 nahm Stauffenberg einige Male an Besprechungen bei Adolf Hitler teil, das geplante Sprengstoffattentat konnte jedoch aus verschiedenen Gründen nicht ausgeführt werden. Angesichts der aussichtslosen militärischen Lage kam es auch zu Diskussionen, ob Attentat und Staatsstreich überhaupt noch einen Sinn

SPRECHER :

Das Attentat muss erfolgen, bekräftigte Henning von Tresckow. Denn es komme nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat, alles andere ist daneben gleichgültig.

MUSIK 13 (Anselm Kreuzer: Impacts Getting Closer 1‘36)

ERZÄHLERIN:

Am 20. Juli reiste Stauffenberg mit zwei Paketen Sprengstoff im Gepäck ins Führerhauptquartier Wolfschanze im damaligen Ostpreußen, um an einer Lagebesprechung mit Hitler teilzunehmen. Kurz vor Beginn der Besprechung zog sich Stauffenberg unter einem Vorwand zurück. Er wollte die Zeitzünder an beiden Sprengstoffpaketen aktivieren, schaffte das aber nur an einem der Pakete, versteckte es in einer Aktentasche und platzierte diese dann in der Besprechungsbaracke in der Nähe von Hitler. Danach verließ er abermals unter einem Vorwand den Raum und beobachtete aus einer sicheren Entfernung die Detonation, die an der Baracke schwere Zerstörungen anrichtete.

ATMO Detonation

Er nahm an, dass Hitler tot sei, und machte sich auf den Weg zurück nach Berlin. Dort hatte Friedrich Olbricht bereits die Nachricht erhalten, dass Hitler nur leicht verletzt war. Deshalb zögerte er, die Truppen des Ersatzheeres zu mobilisieren. Erst als Stauffenberg Stunden später in Brandenburg landete und versicherte, dass Hitler tot sei, versuchte Olbricht, das Ersatzheer in Marsch zu setzen. Da war es aber schon zu spät: Die Nachricht, dass Adolf Hitler das Attentat überlebt hatte, war bereits durchgesickert. Im folgenden Machtkampf unterlagen die Verschwörer. Der Staatsstreich war gescheitert. Die Hauptgründe dafür, so der Historiker Johannes Hürter waren zum einen, dass Adolf Hitler bei dem Attentat nicht getötet worden war.

O12 HÜRTER:

Der zweite Grund war, dass die Verschwörer innerhalb der Militärelite letztlich nur eine Minderheit waren, dass es zu viele Zauderer gab, die unentschieden waren, und wahrscheinlich noch mehr Offiziere in wirklich allen Bereichen und an allen Standorten, die diese Verschwörung auch abgelehnt haben, die einen Staatsstreich abgelehnt haben aus verschiedenen Gründen.

ERZÄHLERIN:

Die starke preußisch-deutsche Militärtradition mit Pflicht und Gehorsam mag eine Rolle gespielt haben, der Eid auf Adolf Hitler persönlich, die Verbundenheit mit der NS-Ideologie, die Angst vielleicht auch vor den Konsequenzen, wenn der Umsturz scheiterte … Friedrich Olbricht, Claus von Stauffenberg und andere wurden noch in der gleichen Nacht hingerichtet. Ludwig Beck bekam die Möglichkeit zum Selbstmord, als dieser misslang, wurde er erschossen. Unter Führung der SS wurde eine "Sonderkommission 20. Juli" eingerichtet. Um die 500 Kriminalbeamte ermittelten, schätzungsweise 600 bis 800 Personen wurden in Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet, etwa 200 von ihnen vom NS-Regime ermordet. Manche begingen Selbstmord, um ihrer Verhaftung zu entgehen wie Henning von Tresckow. Andere wurden in Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wie etwa Carl Friedrich Goerdeler.

MUSIK 14 Johnny Klimek: Nah 1’01

Was sie für die Zukunft Deutschlands geplant hatten, wäre der Staatsstreich geglückt? Das war unklar.

O13 HÜRTER:

Was relativ klar ist, ist, dass der Plan nicht war, die parlamentarische Demokratie zu erneuern, also die parlamentarische Demokratie nach dem Vorbild der Weimarer Republik. Das ganz bestimmt nicht. Die meisten Pläne gingen so in die Richtung einer Stände-Republik mit demokratischen Elementen, vielleicht sogar eine Stände-Monarchie mit parlamentarischen und demokratischen Versatzstücken. Also, das war alles ziemlich diffus. Es wäre keine Demokratie geworden, wie wir sie uns heute vorstellen, also keine parlamentarische Demokratie so wie die Bundesrepublik. Also das wäre da auf keinen Fall herausgekommen.

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Das Deutsche Reich wieder eine Großmacht? Den Versailler Vertrag einfach vom Tisch fegen? Solche Visionen teilten führende Militärs mit dem frisch zur Macht gekommenen NS-Regime. Doch Hitlers riskante Expansionsziele stießen auch auf Zweifel in Teilen der Militär-Elite. Als sich später die Niederlage abzeichnete, versuchte die militärische Opposition das NS-Regime zu stürzen. Eine demokratische Zukunft, die am Weimarer Zeiten angeknüpft hätte, war aber nicht geplant. Von Renate Eichmeier

Credits
Autorin dieser Folge: Renate Eichmeier
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Katja Bürkle, Peter Veit
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Thomas Morawetz

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Prof. Dr. Johannes Hürter, Institut für Zeitgeschichte München
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
Noch mehr Interesse an Geschichte? Dann empfehlen wir:
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Literaturtipps:

Thomas Karlauf: Stauffenberg. Porträt eines Attentäters – detaillierte Biographie und Darstellung von Stauffenbergs Denken und Persönlichkeit (relativ neu von 2019)

Manfred Messerschmidt: Die Wehrmacht im NS-Staat. Zeit der Indoktrination (dickes Standardwerk von 1969 mit vielen Infos, gut um bestimmte Themen nachzulesen oder nachzuschlagen)

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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

O1 HÜTER:

Eigentlich hat sich die Militärelite in sehr weitgehender Form auf den Nationalsozialismus, auf Hitler, auf die Kriegspolitik, auf die Kriegszielpolitik auch eingelassen und später dann sich auch an dem Vernichtungskrieg beteiligt.

ERZÄHLERIN:

Sagt Professor Dr. Johannes Hürter vom Institut für Zeitgeschichte in München. Als dann mit der verlorenen Schlacht um Stalingrad eine deutsche Kriegsniederlage drohte, beschlossen Angehörige der Wehrmachtsführung, das NS-Regime zu stürzen. Am 20. Juli 1944 detonierte um 12 Uhr 42 eine Sprengladung im Führerhauptquartier Wolfschanze im damaligen Ostpreußen. Die Baracke, in der Adolf Hitler gerade eine Lagebesprechung abhielt, wurde zerstört, einige der Anwesenden wurden getötet. Es sollte der Beginn eines Staatsstreiches sein. Am gleichen Tag meldete der Rundfunk.

MUSIK 2 (Fabian itter: Dark Pulse 0‘20)

ZUSPIELUNG O-Ton Radio

(aus: Autor: Uwe Pagels / Archivnummer: W0550945 101 / 00:46 bis 1:00 / geklärt, rechtefrei)

Auf den Führer wurde heute ein Sprengstoffanschlag verübt. Der Führer selbst hat außer leichten Verbrennungen und Prellungen keine Verletzungen erlitten. Er hat unverzüglich seine Arbeit wieder aufgenommen.

MUSIKENDE

ERZÄHLERIN:

30. Januar 1933. Mit einem nächtlichen Fackelzug durch Berlin feierten die paramilitärischen Schlägertrupps der SA die Ernennung des NSDAP-Vorsitzenden Adolf Hitler zum Reichskanzler. Es war das Ende der Weimarer Republik. Bald waren demokratische Grundsätze und Rechtsstaatlichkeit abgeschafft. Politische Gegner und Menschen, die nicht der rassistischen NS-Ideologie entsprachen, wurden brutal verfolgt.

O2 HÜRTER:

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde von sehr vielen Militärs mit einer gewissen Sorge angesichts der radikalen Tendenzen dieser Partei und dieser Bewegung betrachtet, aber auch mit sehr vielen Hoffnungen. Und unter dem Strich haben die Hoffnungen eigentlich überwogen.

ERZÄHLERIN:

Johannes Hürter war unter anderem an einem Forschungsprojekt zur Wehrmacht in der NS-Diktatur beteiligt.

O3 HÜRTER:

Denn es gab zwischen nationalkonservativen Offizieren auf der einen Seite und Nationalsozialisten auf der anderen Seite sehr viele Schnittmengen in dem, was man vorhatte, was man politisch vorhatte, was man in Hinsicht auf die Aufrüstung vorhatte, was man in Hinsicht auf die Überwindung der Versailler Ordnung vorhatte. Man spricht da auch von großen Teilidentitäten zwischen der nationalkonservativen Militärelite und den Nationalsozialisten.

MUSIK 3 (Johnny Klimek: Plan B 0‘32)

ERZÄHLERIN:

Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages musste Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg alle Kriegsschiffe, Flugzeuge, Panzer, sogenanntes schweres Kriegsmaterial an die Siegermächte ausliefern und das Heer auf hunderttausend Soldaten reduzieren. Schon in den Jahren der Weimarer Republik gab es seitens der Reichswehr Versuche, diese Bestimmungen zu unterlaufen. Mit Beginn der NS-Diktatur hoffte man nun, dass die Wiederaufrüstung Fahrt aufnahm.

O4 HÜRTER:

Also die Hoffnung war schon sehr groß, dass sich unter dieser neuen nationalen Regierung etwas verändert in Richtung Revision des Versailler-Vertrags und in Richtung Aufrüstung der Wehrmacht, Wieder-Erstarkung Deutschlands.

ERZÄHLERIN:

Deutschland wieder eine Großmacht? Diese Vision teilten führende Militärs mit dem NS-Regime und versprachen sich von einem Wiederaufstieg Deutschlands auch eine Rückgewinnung ihrer gesellschaftlichen Bedeutung, die sie mit dem Ende des Kaiserreiches 1918 verloren hatten. Die neuen NS-Machthaber kamen diesen Erwartungen entgegen. Adolf Hitler versuchte von Anfang an, die Reichswehr in sein Machtsystem zu integrieren und Vertrauen aufzubauen.

MUSIK 4 (Badonviller Marsch 0‘31)

SPRECHER:

Reichswehrminister Werner von Blomberg zeigte sich von den NS-Machthabern begeistert, interpretierte das neue Kabinett als "Ausdruck breiten nationalen Wollens", äußerte sich bewundernd über den neuen Kanzler Adolf Hitler, der "wie ein ganz großer Arzt" fungiere. Er war bereit, die NSDAP innenpolitisch gewähren zu lassen.

MUSIK 5 (Alan Fillip: Entering Space 0‘33)

SPRECHER:

Auch Blombergs Ministeramtschef im Reichswehrministerium, Generalmajor Walter von Reichenau, äußerte sich begeistert: "Hinein in den neuen Staat, nur so können wir die uns gebührende Position behaupten." Und zu den Gewaltexzessen der neuen Machthaber sagte er: "Morsches muss fallen, das kann mit Terror geschehen."

ERZÄHLERIN:

Die militärische Führungsriege hoffte, in einem autoritären NS-Staatsgefüge in der Hierarchie weit oben ihren Platz zu finden. Beunruhigt waren militärische Führungskreise deshalb nicht durch die Abschaffung demokratischer Grundrechte, sondern durch die paramilitärische Konkurrenz der SA. Ihr Führer Ernst Röhm wollte die SA zu einer Art braunem Massenheer ausbauen, in dem die Reichswehr aufgehen sollte. Als Adolf Hitler im Sommer 1934 Ernst Röhm und andere vermeintliche Gegner durch die SS ermorden ließ, gab es seitens der Reichswehr Unterstützung.

SPRECHER:

"Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid" – so die Soldaten der Reichswehr Anfang August 1934. Sie schworen, dass sie Adolf Hitler, dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, ihrem neuen Oberbefehlshaber, unbedingten Gehorsam leisten und bereit sind, ihr Leben für diesen Eid einzusetzen.

ERZÄHLERIN:

Ursprünglich wurde die Reichswehr auf die Verfassung der Weimarer Republik vereidigt. Als Paul von Hindenburg starb, übernahm Adolf Hitler zusätzlich zu seiner Kanzlerschaft das Amt des Reichspräsidenten und wurde damit Staatsoberhaupt. Noch am gleichen Tag ließ Werner von Blomberg die Soldaten der Reichswehr auf Adolf Hitler persönlich vereidigen.

MUSIK 6 (Johnny Klimek: Plan B 0‘29)

SPRECHER:

Ohne Auftrag Hitlers, wie er behauptete. Auch sonstige Äußerungen zeigen ihn regimekonform. "Das erste Jahr der nationalsozialistischen Staatsführung hat die Grundlagen für den politischen und wirtschaftlichen Neubau der Nation gelegt", ließ er verlauten. Und: "Das zweite Jahr stellt die Notwendigkeit der geistigen Durchdringung der Nation mit den Leitgedanken des nationalsozialistischen Staates in den Vordergrund. "

MUSIK 7 (Cliff Martinez: After The Chase 0‘45)

ERZÄHLERIN:

In militärischen Dienststellen und militärischen Fachschulen wurden weltanschauliche Schulungen eingeführt und nationalsozialistisches Gedankengut vermittelt. So gab es zum Beispiel in den Kriegsschulen für die Offiziersausbildung sogenannten "rassenhygienischen Unterricht". 1935 wurde die allgemeine Wehrpflicht wieder eingeführt, damit die Zahl der ausgebildeten Soldaten massiv erhöht, die Reichswehr wurde offiziell in Wehrmacht und der Reichswehrminister in Reichskriegsminister umbenannt. Die militärischen Vorbereitungen für Hitlers Expansionspläne begannen auf Hochtouren zu laufen.

O5 HÜRTER:

Hitler hat die Wehrmachtspitze, sehr früh über seine sehr radikalen außenpolitischen Pläne auch informiert.

ERZÄHLERIN:

So der Historiker Johannes Hürter.

O6 HÜRTER:

Er hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er plant, nach Osten auszugreifen, Lebensraum zu gewinnen. Er hat von Anfang an versucht, die Wehrmachtselite, damals noch die Reichswehrelite, einzubeziehen in sein Programm, in sein außenpolitisches Programm, das letztlich unverkennbar stark auf Krieg ausgerichtet war.

MUSIK 8 (Alan Filip: A Sad One 1’12)

ERZÄHLERIN:

Anfang November 1937 lud Hitler die militärische Führungselite zu einer Besprechung in die Reichskanzlei ein. Anlass waren Streitigkeiten um die Verteilung von Stahlvorräten, die für die Aufrüstung der Streitkräfte gebraucht wurden. Hitler sollte diesbezüglich für eine Klärung sorgen. Neben Reichskriegsminister Blomberg waren unter anderem auch die Oberbefehlshaber von Heer, Luftwaffe und Marine anwesend. In einem mehrstündigen Monolog nutzte Hitler nun die Chance, die versammelte Militärspitze detailliert über seine Expansionspläne zu informieren – und ihre Reaktion zu testen. Er betonte, dass militärische Aktionen bezüglich Österreich und der Tschechei beziehungsweise dem Sudetenland in nächster Zukunft geplant seien. Obwohl es eine prinzipielle Übereinstimmung bezüglich einer deutschen Expansionspolitik gab, äußerten Reichskriegsminister Blomberg und auch der Oberbefehlshaber des Heeres, Werner von Fritsch, starke Bedenken. Sie befürchteten, die Situation könnte eskalieren und zu einem Krieg mit England und Frankreich führen. Johannes Hürter:

O7 HÜRTER:

Es ging der Militärspitze eher um die Zeiträume. Ein Krieg schon Ende der dreißiger Jahre war vielen professionellen Generälen zu riskant, zu gefährlich. Sie haben gedacht, dass die Wehrmacht da noch nicht kriegsfähig ist.

ERZÄHLERIN:

Hitlers Kritiker verschwanden daraufhin Anfang 1938 aus der militärischen Führungsriege. Reichskriegsminister Werner von Blomberg stolperte über seine zweite Heirat mit einer Frau, die in ihrer Jugend wegen Nacktfotos polizeilich aktenkundig geworden war. Und Werner von Fritsch musste gehen, weil Gerüchte über eine angebliche Homosexualität gestreut wurden. Im Laufe der folgenden Monate geriet dann der Generalstabschef des Heeres Ludwig Beck ins Visier Adolf Hitlers, als er versuchte die Generäle des Heeres zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen dessen riskante Kriegsplanungen zu bringen. Auch er musste seinen Posten aufgeben und zog sich ins Privatleben zurück. Er blieb aber nicht untätig, sondern erwies sich als geschickter Netzwerker. Ludwig Beck sammelte gleichgesinnte Militärs um sich und suchte Kontakte zur zivilen Opposition. Dort war sein wichtigster Ansprechpartner der konservative Politiker Carl Friedrich Goerdeler.

MUSIK 9 (Johnny Klimek: Nah 1’01)

Auch Becks Nachfolger als Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, hatte lose Kontakte in oppositionelle Kreise. In – wenn auch – sehr kleinen Teilen der militärischen Führungselite wurden Überlegungen angestellt, wie man sich verhalten solle, wenn Hitler 1938 verfrüht in einen Krieg hineinstolpern würde. Doch ihre Bedenken sollten sich nicht bewahrheiten. Sowohl den deutschen Einmarsch in Österreich als auch die Besetzung des Sudetenlandes konnte die NS-Diktatur als außenpolitischen Erfolg verbuchen. Die Westmächte scheuten eine Konfrontation mit dem Deutschen Reich und billigten mit dem Münchner Abkommen die aggressive Expansionspolitik. Einer möglichen Opposition aus militärischen Kreisen war damit die Grundlage entzogen – so jedenfalls das Narrativ nach dem Zweiten Weltkrieg.

O8 HÜRTER:

Man muss ja auch generell sagen, dass die Militärelite nach 1945 bemüht war, sich nachträglich von Hitler und dem Regime zu distanzieren. Und diese Konstruktion, es habe schon 1938 eine Verschwörung gegeben, einen Widerstand, hat da natürlich gut reingepasst, aber stimmte mit der Realität nicht immer so ganz überein. Da hat man ziemlich an der Wahrheit oder an der Vergangenheit herum manipuliert. Im Grunde war das eine Art Vergangenheitspolitik in eigener Sache, um die Militärelite zu entlasten nachträglich, denn eigentlich hat sich die Militärelite in sehr weitgehender Form auf den Nationalsozialismus, auf Hitler, auf die Kriegspolitik, auf die Kriegszielpolitik auch eingelassen und später dann sich auch an dem Vernichtungskrieg beteiligt.

ATMO Kriegsgeräusche /

MUSIK 10 ( Iva Zabkar: Frühstück / einbruch / mord 1’06)

ERZÄHLERIN:

Als sich mit der verlorenen Schlacht um Stalingrad im Winter 1942/43 eine deutsche Kriegsniederlage abzeichnete, kam Bewegung in das oppositionelle Netzwerk, in dem die zivilen und militärischen Akteure zwar miteinander kommunizierten, aber keine konkreten Umsturzplanungen anstellten. Für letzteres waren ohnehin die Militärs zuständig, während sich die zivile Opposition in erster Linie mit Konzepten für ein zukünftiges Deutschland beschäftigte. Die drohende Kriegsniederlage beunruhigte die Militärs.

MUSIK 11 ( Jens Buchert: Pulse 0‘46)

Was würde aus Deutschland werden im Falle einer bedingungslosen Kapitulation? Wer würde zur Verantwortung gezogen für die Massenmorde, all die Verbrechen, die die deutschen Besatzer in den besetzten Ostgebieten begangen hatten? Der Sturz des NS-Regimes sollte politische Handlungsmöglichkeiten schaffen – vor allem in Hinblick auf Friedensverhandlungen.

Führende Köpfe des militärischen Widerstands waren General Friedrich Olbricht und Generalmajor Henning von Tresckow. Sie bildeten den Kern der späteren Attentatsgruppe. Mit den Widerstandsnetzwerken um Ludwig Beck waren sie bereits seit 1938 in Kontakt. Claus Schenk von Stauffenberg, der das Attentat am 20. Juli 1944 letztendlich ausführte, stieß erst relativ spät zu den Verschwörern.

O9 HÜRTER:

Stauffenberg kommt aus einem rechtsnationalistischen Milieu. Aus dem Grund hat er auch 1933 die Machtübernahme Hitlers und der Nationalsozialisten zunächst durchaus begrüßt, und man findet sogar bis 1942 noch viel Zustimmung. Das bestärkt eigentlich die These, dass er erst ab 1942 und vielleicht sogar auch erst im Laufe des Jahres 1943 auch innerlich zum überzeugten Widerstandskämpfer geworden ist, der dann aber wirklich mit einer unvergleichlichen Konsequenz dieses eine Ziel, nämlich Hitler zu beseitigen, verfolgt hat.

Also da war er die treibende Kraft dann neben sehr vielen anderen militärischen und zivilen Akteuren, die diesen letzten Schritt vielleicht irgendwann gehen wollten, aber mit der Konkretisierung immer Probleme haben, gezaudert haben, den richtigen Augenblick, der vielleicht nie kommen würde, abwarten wollten.

MUSIK 12 ( Iva Zabkar: Fahrt zum Kommissariat 0‘35)

ERZÄHLERIN:

Eine zentrale Rolle bei den militärischen Umsturzplänen spielte das sogenannte Ersatzheer. Das waren Soldaten, teils noch in Ausbildung, teils auch in Reserve, die innerhalb des Deutschen Reiches stationiert waren und es im Krisenfall unter dem Decknamen "Operation Walküre" verteidigen sollten. Als stellvertretender Befehlshaber hatte Friedrich Olbricht Zugriff auf das Ersatzheer. Und Henning von Tresckow hatte die Idee, die Walküre-Planungen für einen Staatsstreich umzuarbeiten.

O10 HÜRTER:

Das war eine fantastische Idee, denn dieser Plan Walküre war von Hitler ja an sich bereits genehmigt und sollte eingesetzt werden gegen mögliche Aufstände, innere Unruhen, Meutereien von Zwangsarbeitern, Kommandounternehmen der Alliierten in Deutschland, also war ein Instrument, ein Planungsinstrument, um Deutschland im Inneren, von inneren und äußeren Angriffen zu verteidigen. Und die geniale Idee Tresckows war, das nun gegen Hitler oder besser gesagt, gegen den Nationalsozialismus zu wenden, und das war eng verknüpft mit dem Plan, Hitler in irgendeiner Form zu beseitigen.

ERZÄHLERIN:

Tresckow, Olbricht und auch Stauffenberg waren maßgeblich an der Umarbeitung des Walküre-Plans beteiligt. Friedrich Olbricht sollte von Berlin aus den Staatsstreich leiten. Nach dem Tod Hitlers sollten die Truppen des Einsatzheeres in Marsch gesetzt, NS-Organisationen ausgeschaltet, deren Führer verhaftet und Dienststellen besetzt werden. Wichtige Rundfunk- und Kommunikations-Einrichtungen wie Fernsprech-, Fernschreib- und Funkverbindungen wollte man übernehmen und in Berlin eine neue Regierung installieren. Soweit in groben Zügen der Plan für den Sturz des NS-Regimes.

O11 HÜRTER:

Es war zunächst nicht geplant, dass Stauffenberg der Attentäter ist. Das hat sich erst so entwickelt. Denn Stauffenberg war ja gleichzeitig auch einer der Hauptorganisatoren des Staatsstreiches und sollte eigentlich ursprünglich gar nicht in diese Gefahr gebracht werden, dass er bei dem Versuch eines Attentats vielleicht dann auch selbst getötet werden könnte. Das hat sich nach und nach entwickelt. Es hat sich vor allem entwickelt, weil Stauffenberg dann in diesen Monaten derjenige war, der am leichtesten Zugang zu Hitler hatte.

ERZÄHLERIN:

Bereits vor dem 20. Juli 1944 nahm Stauffenberg einige Male an Besprechungen bei Adolf Hitler teil, das geplante Sprengstoffattentat konnte jedoch aus verschiedenen Gründen nicht ausgeführt werden. Angesichts der aussichtslosen militärischen Lage kam es auch zu Diskussionen, ob Attentat und Staatsstreich überhaupt noch einen Sinn

SPRECHER :

Das Attentat muss erfolgen, bekräftigte Henning von Tresckow. Denn es komme nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat, alles andere ist daneben gleichgültig.

MUSIK 13 (Anselm Kreuzer: Impacts Getting Closer 1‘36)

ERZÄHLERIN:

Am 20. Juli reiste Stauffenberg mit zwei Paketen Sprengstoff im Gepäck ins Führerhauptquartier Wolfschanze im damaligen Ostpreußen, um an einer Lagebesprechung mit Hitler teilzunehmen. Kurz vor Beginn der Besprechung zog sich Stauffenberg unter einem Vorwand zurück. Er wollte die Zeitzünder an beiden Sprengstoffpaketen aktivieren, schaffte das aber nur an einem der Pakete, versteckte es in einer Aktentasche und platzierte diese dann in der Besprechungsbaracke in der Nähe von Hitler. Danach verließ er abermals unter einem Vorwand den Raum und beobachtete aus einer sicheren Entfernung die Detonation, die an der Baracke schwere Zerstörungen anrichtete.

ATMO Detonation

Er nahm an, dass Hitler tot sei, und machte sich auf den Weg zurück nach Berlin. Dort hatte Friedrich Olbricht bereits die Nachricht erhalten, dass Hitler nur leicht verletzt war. Deshalb zögerte er, die Truppen des Ersatzheeres zu mobilisieren. Erst als Stauffenberg Stunden später in Brandenburg landete und versicherte, dass Hitler tot sei, versuchte Olbricht, das Ersatzheer in Marsch zu setzen. Da war es aber schon zu spät: Die Nachricht, dass Adolf Hitler das Attentat überlebt hatte, war bereits durchgesickert. Im folgenden Machtkampf unterlagen die Verschwörer. Der Staatsstreich war gescheitert. Die Hauptgründe dafür, so der Historiker Johannes Hürter waren zum einen, dass Adolf Hitler bei dem Attentat nicht getötet worden war.

O12 HÜRTER:

Der zweite Grund war, dass die Verschwörer innerhalb der Militärelite letztlich nur eine Minderheit waren, dass es zu viele Zauderer gab, die unentschieden waren, und wahrscheinlich noch mehr Offiziere in wirklich allen Bereichen und an allen Standorten, die diese Verschwörung auch abgelehnt haben, die einen Staatsstreich abgelehnt haben aus verschiedenen Gründen.

ERZÄHLERIN:

Die starke preußisch-deutsche Militärtradition mit Pflicht und Gehorsam mag eine Rolle gespielt haben, der Eid auf Adolf Hitler persönlich, die Verbundenheit mit der NS-Ideologie, die Angst vielleicht auch vor den Konsequenzen, wenn der Umsturz scheiterte … Friedrich Olbricht, Claus von Stauffenberg und andere wurden noch in der gleichen Nacht hingerichtet. Ludwig Beck bekam die Möglichkeit zum Selbstmord, als dieser misslang, wurde er erschossen. Unter Führung der SS wurde eine "Sonderkommission 20. Juli" eingerichtet. Um die 500 Kriminalbeamte ermittelten, schätzungsweise 600 bis 800 Personen wurden in Zusammenhang mit dem Attentat verhaftet, etwa 200 von ihnen vom NS-Regime ermordet. Manche begingen Selbstmord, um ihrer Verhaftung zu entgehen wie Henning von Tresckow. Andere wurden in Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof zum Tode verurteilt wie etwa Carl Friedrich Goerdeler.

MUSIK 14 Johnny Klimek: Nah 1’01

Was sie für die Zukunft Deutschlands geplant hatten, wäre der Staatsstreich geglückt? Das war unklar.

O13 HÜRTER:

Was relativ klar ist, ist, dass der Plan nicht war, die parlamentarische Demokratie zu erneuern, also die parlamentarische Demokratie nach dem Vorbild der Weimarer Republik. Das ganz bestimmt nicht. Die meisten Pläne gingen so in die Richtung einer Stände-Republik mit demokratischen Elementen, vielleicht sogar eine Stände-Monarchie mit parlamentarischen und demokratischen Versatzstücken. Also, das war alles ziemlich diffus. Es wäre keine Demokratie geworden, wie wir sie uns heute vorstellen, also keine parlamentarische Demokratie so wie die Bundesrepublik. Also das wäre da auf keinen Fall herausgekommen.

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