Ainda estou aqui

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Film
Titel Ainda estou aqui
Produktionsland Brasilien, Frankreich
Originalsprache Portugiesisch
Erscheinungsjahr 2024
Länge 135 Minuten
Stab
Regie Walter Salles
Drehbuch Murilo Hauser,
Heitor Lorega
Produktion Maria Carlota Bruno,
Rodrigo Teixeira,
Martine de Clermont-Tonnerre
Musik Warren Ellis
Kamera Adrian Teijido
Schnitt Affonso Gonçalves
Besetzung

Ainda estou aqui (pt. für „Ich bin noch immer hier“, internationaler Titel: I’m Still Here) ist ein Spielfilm von Walter Salles aus dem Jahr 2024. Das Drama stellt die brasilianische Politikergattin Eunice Pava in den Mittelpunkt, die sich während der Militärdiktatur auf die Suche nach ihrem verschwundenen Ehemann Rubens begibt. Es handelt sich um die Verfilmung des gleichnamigen autobiografischen Werks von Marcelo Rubens Paiva, dem Sohn des Paares. In der brasilianisch-französischen Koproduktion übernahmen Fernanda Torres, Selton Mello und Fernanda Montenegro die Hauptrollen. Der Film wurde Anfang September 2024 beim Filmfestival von Venedig uraufgeführt.

Rio de Janeiro im Jahr 1971: Rubens Paiva, ein früherer Kongressabgeordneter, der einst im Exil lebte, gilt als ausgesprochener Kritiker der brasilianischen Militärdiktatur. Er ist mit Eunice verheiratet, die sich in keiner Weise für das politische Zeitgeschehen um sie herum interessiert. Obwohl es jeden Tag zu Kontrollen und Verhaftungen kommen kann, hält sie für die fünf gemeinsamen Kinder ein idyllisches Familienleben aufrecht. Eines Nachmittags ändert sich ihr Leben schlagartig, als Regierungsbeamte Rubens aus dem Haus zerren. Sie geben an, dass er bei den Behörden eine Aussage hinterlegen müsse. Kurze Zeit später erleidet Eunice das gleiche Schicksal. Zwölf Tage muss sie in einem fensterlosen Gefängnis zubringen und wird vernommen. Sie soll Freunde und Arbeitskollegen belasten, die linker Aktivitäten beschuldigt werden. Als Eunice aus dem Gefängnis entlassen wird, will sie in Erfahrung bringen, was mit ihrem Mann geschehen ist. Sie lässt sich auf einen erbitterten Kampf gegen das Regime ein. Gleichzeitig muss sie sich um ihre Kinder kümmern. Die Suche nach Rubens verzehrt mehrere Jahrzehnte von Eunices Leben und macht die zuvor unpolitische Hausfrau zur Aktivistin, Menschenrechtsanwältin für die Rechte Indigener und Heldin der „Desaparecidos“ – tausende von unschuldigen Bürgern, die verhaftet oder entführt und anschließend gefoltert und ermordet wurden.[1][2][3][4] Der Tod von Rubens wird erst Mitte der 1990er-Jahre offiziell bestätigt.[5]

Marcelo Rubens Paiva, Autor der Buchvorlage, bei der Präsentation des Films in Venedig (2024)

Ainda estou aqui ist der zehnte Kinospielfilm des brasilianischen Regisseurs Walter Salles und der erste seit On the Road – Unterwegs (2012). Das Drehbuch von Murilo Hauser und Heitor Lorega basiert auf dem gleichnamigen, 2015 erschienenen Buch von Marcelo Rubens Paiva über das Schicksal seiner Eltern. Salles kannte die Familie persönlich, war mit den Paiva-Kindern befreundet und verbrachte oft Zeit in ihrem Zuhause.[3]

Sieben Jahre lang wurde an der Realisierung des Filmprojekts gearbeitet.[3] Salles verpflichtete für die Hauptrolle von Eunice Pava die Schauspielerinnen Fernanda Montenegro und Fernanda Torres, die die Figur in verschiedenen Lebensabschnitten porträtieren und im wirklichen Leben Mutter und Tochter sind. Mit ihnen hatte er jeweils einzeln an seinen preisgekrönten Spielfilmen Mitternacht und Central Station (beide 1998) zusammengearbeitet. Für den Part des Rubens Paiva wurde Selton Mello besetzt, der erstmals unter der Regie von Salles agierte.

Als Kameramann bei den Dreharbeiten fungierte Adrian Teijido, während Affonso Gonçalves und Warren Ellis sich für den Schnitt beziehungsweise die Filmmusik verantwortlich zeichneten. Während der Entstehung des Films kam es in Brasilien zur Präsidentschaft von Jair Bolsonaro (2019–2022), dessen Regierungszeit Salles an die dystopische Militärdiktatur in den 1970er-Jahren erinnerte, über die Ainda estou aqui handelt.[3]

Veröffentlichung

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Ainda estou aqui wurde in die Programme von drei bedeutenden Herbst-Filmfestivals aufgenommen. Die Premiere erfolgte am 1. September 2024 beim 81. Filmfestival von Venedig, wo das Werk in den Hauptwettbewerb eingeladen worden war.[6] Das Premierenpublikum soll Salles’ Regiearbeit insgesamt 10 Minuten Applaus gespendet haben.[7]

In Nordamerika wurde Ainda estou aqui erstmals im September 2024 beim 49. Toronto International Film Festival (TIFF) gezeigt. Dort war Salles’ Regiearbeit in die Sektion Special Presentations aufgenommen worden.[8] Im Oktober 2024 folgt eine Präsentation auf dem New York Film Festival.[2]

Fernanda Torres, die die weibliche Hauptrolle übernahm, bei der Uraufführung in Venedig

Von den auf der Website Rotten Tomatoes nach der Premiere aufgeführten fast einem Dutzend Kritiken sind 91 Prozent positiv („fresh“) und führen zu einer Durchschnittswertung von 6,3 von 10 möglichen Punkten.[9] Auf der Website Metacritic erhielt Ainda estou aqui eine Bewertung von 80 von 100 möglichen Punkten, basierend auf mehr als einem halbes Dutzend ausgewerteter englischsprachiger Kritiken. Dies entspricht grundsätzlich positive Bewertungen („generally favorable“).[10]

Wolfgang Höbel (Spiegel Plus) zählte Ainda estou aqui zum Wettbewerbsbeitrag in Venedig, der am meisten Beifall verdient gehabt hätte. Es handle sich um „ein mitreißendes Politdrama“. Regisseur Walter Salles zeige „in altmodisch ruhigen, elegischen Einstellungen [...] den Alltag einer Familie aus der Oberschicht [...] und lasse „über sie das Unrecht eines Terrorregimes hereinbrechen“. Höbel bezeichnete die Leistung von Hauptdarstellerin Fernanda Torres als „anrührend“. „Die Gewalt bleibe [...] fast unsichtbar“, da die Handlung „konsequent aus der Sicht der Kinder und der Ehefrau“ erzählt werde.[11]

Jan Küveler (Welt Online) zählte den Film gemeinsam mit Leurs enfants après eux, Queer und Stranger Eyes zu den Preis-Aspiranten von Venedig und räumte Hauptdarstellerin Torres Chancen auf den Gewinn des Darstellerpreises ein. Ainda estou aqui sei „dringlicher, menschlicher, besser war als die meisten seiner Konkurrenten“ sowie „anrührend, brillant, politisch wichtig“.[12]

Tim Caspar Boehme (die tageszeitung) bemerkte ähnlich wie Höbel, dass Salles „das Klima von ständiger Bedrohung fast wie ein Kammerspiel“ inszeniere. Der Film konzentriere „sich auf das Leben im repräsentativen Haus der Paivas am Strand von Rio, wo Eunice mit ihren fünf Kindern bemüht ist, diesen so viel Normalität zu ermöglichen wie die Umstände zulassen“.[5]

Für Ainda estou aqui erhielt Walter Salles eine Einladung in den Wettbewerb um den Goldenen Löwen, den Hauptpreis des Filmfestivals von Venedig. Dort wurde das Werk mit dem Drehbuchpreis[13] sowie mit der Auszeichnung des Katholischen Weltverbands für Kommunikation (SIGNIS) geehrt.[14]

Marcelo Rubens Paiva: Ainda estou aqui. Rio de Janeiro : Editora Objectiva, 2015. – ISBN 978-85-7962-416-2.

Einzelnachweise

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  1. I'm Still Here. In: tiff.net (abgerufen am 31. August 2024).
  2. a b I'm Still Here. In: filmlinc.org (abgerufen am 31. August 2024).
  3. a b c d Ainda estou aqui (I’m still here). In: labiennale.org (abgerufen am 31. August 2024).
  4. Je suis encore là. In: allocine.fr (abgerufen am 11. April 2024).
  5. a b Tim Caspar Boehme: Viel Gegenwart der Vergangenheit. In: die tageszeitung, 3. September 2024, S. 16.
  6. Ryan Lattanzio: Venice: ‘Maria,’ ‘Queer,’ and ‘Joker: Folie à Deux’ Will Premiere in Competition (Full Lineup). In: indiewire.com, 23. Juli 2024 (abgerufen am 23. Juli 2024).
  7. Nancy Tartaglione, Melanie Goodfellow: ‘I’m Still Here’ Political Drama Earns 10-Minute Ovation At Venice Film Festival Premiere. In: deadline.com, 1. September 2024 (abgerufen am 7. September 2024).
  8. TIFF unveils its star-studded lineup of Galas and Special Presentations. In: tiff.net, 22. Juli 2024 (abgerufen am 22. Juli 2024).
  9. Ainda estou aqui. In: Rotten Tomatoes. Fandango, abgerufen am 7. September 2024 (englisch).
  10. Ainda estou aqui. In: Metacritic. Abgerufen am 7. September 2024 (englisch).
  11. Wolfgang Höbel: Welche Filme sich lohnen – und welche nicht. In: Spiegel Plus, 7. September 2024 (abgerufen lizenzpflichtiger Pressedatenbank Nexis Uni).
  12. Jan Küveler: Die Preise, wenn alles mit rechten Dingen zugeht. In: welt.de, 7. September 2024 (abgerufen am 7. September 2024).
  13. Diretta streaming. In: labiennale.org (abgerufen am 7. September 2024).
  14. Kirchlicher Filmpreis von Venedig vergeben. Abgerufen am 6. September 2024.