Sengierit

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Sengierit
Sengierit aus der Typlokalität Luiswishi Mine, Demokratische Republik Kongo (Sichtfeld 4 mm)
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

2007 s.p.[1]

IMA-Symbol

Sgi[2]

Chemische Formel
  • Cu2(UO2)2(VO4)2(OH)2·6H2O[1]
  • Cu2(OH)2[UO2|VO4]2·6H2O[3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide (ehemals Phosphate, Arsenate und Vanadate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VII/D.23
VII/E.11-030

4.HB.10
42.06.10.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m[4]
Raumgruppe P21/a (Nr. 14, Stellung 3)Vorlage:Raumgruppe/14.3[3]
Gitterparameter a = 10,60 Å; b = 8,09 Å; c = 10,09 Å
β = 103,4°[3]
Formeleinheiten Z = 2[3]
Häufige Kristallflächen {001}, {110}, {100}, {201}, {111}[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5
Dichte (g/cm3) gemessen: 4,05; berechnet: 4,10[5]
Spaltbarkeit vollkommen nach {001}[5]
Bruch; Tenazität spröde
Farbe gelblichgrün bis grünlichgelb
Strichfarbe hellgrün
Transparenz durchsichtig
Glanz Glasglanz bis Diamantglanz
Radioaktivität sehr stark
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,760 bis 1,770[6]
nβ = 1,920 bis 1,940[6]
nγ = 1,940 bis 1,970[6]
Doppelbrechung δ = 0,180 bis 0,200[6]
Optischer Charakter zweiachsig negativ
Achsenwinkel 2V = gemessen: 37° bis 39°; berechnet: 36°[6]
Pleochroismus sichtbar: X = bläulichgrün bis farblos, Y = olivgrün bis grünlichgelb, Z = gelblichgrün bis farblos[6]
Weitere Eigenschaften
Chemisches Verhalten löslich in Säuren[7]

Sengierit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ (ehemals Phosphate, Arsenate und Vanadate). Es kristallisiert im monoklinen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Cu2(OH)2[UO2|VO4]2·6H2O[3] und ist damit chemisch gesehen ein basisches, wasserhaltiges Kupfer-Uranyl-Vanadat, das einer speziellen Gruppe der Oxide bzw. Hydroxide, den sogenannten Polyvanadaten (V[5,6]-Vanadate) angehört. Strukturell zählt Sengierit zu den Uranyl-Gruppenvanadaten (Sorovanadaten).

Das Mineral entwickelt tafelige Kristalle mit sechsseitigem Umriss bis etwa zwei Millimeter Durchmesser, die meist zu schuppigen Mineral-Aggregaten und krustigen Überzügen verbunden sind. Die durchsichtigen Kristalle sind von gelblichgrüner bis olivgrüner Farbe bei hellgrüner Strichfarbe und weisen auf den Oberflächen einen glas- bis diamantähnlichen Glanz auf.

Etymologie und Geschichte

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Erstmals entdeckt wurde Sengierit im Kupfer-Cobalt-Uran-Tagebau Luiswishi etwa 20 km nördlich von Lubumbashi[8] in der Provinz Katanga der Demokratischen Republik Kongo und beschrieben 1949 durch Johannes F. Vaes, Paul F. Kerr, die das Mineral nach dem früheren Direktor der Union Mine von Katanga Edgar Sengier (1879–1963) benannten.[9]

C. O. Hutton von der Stanford-Universität in Kalifornien untersuchte 1957 Mineralproben aus der Cole-Mine, Bisbee, Arizona (USA). Das Material stammte vom ehemaligen Direktor der Mine, William P. Crawford welches dieser bereits im Jahr 1935 fand.[10]

Das Typmineral wird an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts in den USA (Katalog-Nr. 103963) aufbewahrt.[5]

In der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Sengierit noch zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Wasserhaltigen Phosphate, Arsenate und Vanadate mit fremden Anionen“, wo er zusammen mit Carnotit, Francevillit, Metatyuyamunit, Tyuyamunit und Vanuralit sowie dem 1968 diskreditierten Vanuranylit die „Carnotit-Tujamunit-Gruppe“ mit der System-Nr. VII/D.23 bildete.

Im zuletzt im Jahr 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. VII/E.11-30. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der Abteilung „Uranyl-Phosphate/Arsenate und Uranyl-Vanadate mit [UO2]2+-[PO4][AsO4]3− und [UO2]2+[V2O8]6−, mit isotypen Vanadaten (Sincosit-R.)“, wo Sengierit zusammen mit Carnotit, Curienit, Finchit, Francevillit, Margaritasit, Metatyuyamunit, Metavanuralit, Strelkinit, Tyuyamunit , Vanuralit und Vanuranylit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[11]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[12] 9. Auflage der Strunzschen Mineralsystematik ordnet den Sengierit dagegen in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „V[5,6]-Vanadate“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau in der Unterabteilung „Uranyl-Gruppenvanadate (Sorovanadate)“ zu finden ist, wo es als einziges Mitglied die unbenannte Gruppe 4.HB.10 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Sengierit wie die veraltete Strunz’sche Systematik in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ ein, dort jedoch in die Abteilung der „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“. Hier ist er als einziges Mitglied in der unbenannten Gruppe 42.06.10 innerhalb der Unterabteilung „Wasserhaltige Phosphate etc.“, mit Hydroxyl oder Halogen mit (AB)2(XO4)Zq × x(H2O) zu finden.

Kristallstruktur

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Sengierit kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/a (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 3)Vorlage:Raumgruppe/14.3 mit den Gitterparametern a = 10,60 Å; b = 8,09 Å , c = 10,09 Å und β = 103,4° sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3] Sengierit besteht aus Schichten von kantenverknüpften pentagonal-bipyramidalen Uranyl- und quadratisch-pyramidalen Vanadat-Polyedern. Die Schichten werden sowohl durch Wasserstoffbrückenbindungen wie auch durch die Koordination der Sauerstoffatome der Vanadat-Polyeder durch Cu2+-Ionen verknüpft.

Kristallstruktur von Sengierit
Farblegende: 0 _ U 0 _ O 0 _ V 0 _ Cu 0 _ H2O 0 (Kupfer-Polyeder aus Gründen der Übersichtlichkeit entfernt)

Durch seinen Urangehalt von bis zu 47,36 %[4] ist das Mineral sehr stark radioaktiv. Unter Berücksichtigung der natürlichen Zerfallsreihen bzw. vorhandener Zerfallsprodukte wird die spezifische Aktivität mit 84,78 kBq/g[4] angegeben (zum Vergleich: natürliches Kalium 0,0312 kBq/g). Der zitierte Wert kann je nach Mineralgehalt und Zusammensetzung der Stufen deutlich abweichen, auch sind selektive An- oder Abreicherungen der radioaktiven Zerfallsprodukte möglich und ändern die Aktivität.

Bildung und Fundorte

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Sengierit (hellgrün) und Malachit (dunkelgrün) aus der Cole-Mine, Bisbee, Arizona, USA (Probenbreite 11 mm)

Sengierit bildet sich sekundär in kupferhaltigen Uran-Lagerstätten durch Abscheidung hydrothermaler Lösungen, die den primär vorhandenen Uraninit umwandeln. Er tritt dort vorwiegend in Paragenese mit Chalkosin, Chlorargyrit, Chrysokoll, verschiedenen Cobaltoxiden, Covellin, Malachit, Tyuyamunit, Vandenbrandeit und Volborthit auf.

Als sehr seltene Mineralbildung konnte Sengierit bisher (Stand 2014) nur in wenigen Proben aus bisher 15 dokumentierten Fundorten (Stand 2022)[13] gefunden werden. Neben seiner Typlokalität Luiswishi-Mine bei Lubumbashi trat das Mineral in der Demokratischen Republik Kongo noch in der Musonoi Mine bei Kolwezi und der Shinkolobwe Mine (Kasolo-Mine) in Katanga zutage.

Weitere bisher bekannte Fundorte sind die Huemul Min in der Pampa Amarilla im argentinischen Departamento Malargüe, die Grube Clara bei Oberwolfach im deutschen Bundesland Baden-Württemberg, Rabejac im französischen Département Hérault, Amelal in Marokko, die Eureka-Mine (Gemeinde Torre de Cabdella) in der spanischen Provinz Lleida, Růžodol (deutsch Rosenthal) in der tschechischen Region Böhmen und die Cole-Mine bei Bisbee im US-Bundesstaat Arizona.[14]

Vorsichtsmaßnahmen

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Aufgrund der Toxizität und der starken Radioaktivität des Minerals sollten Mineralproben vom Sengierit nur in staub- und strahlungsdichten Behältern, vor allem aber niemals in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen aufbewahrt werden. Ebenso sollte eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation, Ingestion) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Atemschutzmaske und Handschuhe getragen werden.

  • J. F. Vaes, Paul F. Kerr: Sengierite: a preliminary description. In: American Mineralogist. Band 34, 1949, S. 109–120 (englisch, rruff.info [PDF; 766 kB; abgerufen am 7. Mai 2022]).
  • Gabrielle Donnay, J. D. H. Donnay: Contribution to the crystallography of uranium minerals. In: Geological Survey for the United States Atomic Energy Commission. Technical Information Service Oak Ridge. April 1955, S. 1–42 (englisch, rruff.info [PDF; 1,7 MB; abgerufen am 7. Mai 2022]).
  • Clifford Frondel: Systematic Mineralogy of Uranium and Thorium. In: Geological Survey Bulletin. Band 1064, 1958, S. 258–260 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 7. Mai 2022]).
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 656 (Erstausgabe: 1891).
Commons: Sengierite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 255 (englisch).
  4. a b c David Barthelmy: Sengierite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 7. Mai 2022 (englisch).
  5. a b c d Sengierite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 67 kB; abgerufen am 7. Mai 2022]).
  6. a b c d e f Sengierite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 7. Mai 2022 (englisch).
  7. Sengierit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 7. Mai 2022.
  8. Typlokalität Luiswishi, Provinz Katanga (Shaba), Demokratische Republik Kongo. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 7. Mai 2022.
  9. J. F. Vaes, Paul F. Kerr: Sengierite: a preliminary description. In: American Mineralogist. Band 34, 1949, S. 109–120 (englisch, rruff.info [PDF; 766 kB; abgerufen am 7. Mai 2022]).
  10. C. O. Hutton: Sengierite from Bisbee, Arizona. In: American Mineralogist. Band 42, 1957, S. 408–411 (englisch, minsocam.org [PDF; 263 kB; abgerufen am 7. Mai 2022]).
  11. Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  12. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  13. Localities for Sengierite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 7. Mai 2022 (englisch).
  14. Fundortliste für Sengierit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 7. Mai 2022.