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Karl Lagerfeld-Creative Director Hun Kim im VOGUE-Interview: "Eigentlich ist es so, als wäre er noch da, denn ich arbeite genauso weiter wie damals"

Hun Kim, Creative Director der Brand Karl Lagerfeld, lässt sich vom Erbe des Vorgängers inspirieren. Ein Gespräch über die Neuinterpretationen.
Karl LagerfeldCreative Director Hun Kim im VOGUEInterview Eigentlich ist es so als wäre er noch da denn ich arbeite...
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Karl Lagerfeld und Hun Kim arbeiteten schon zu seinen Lebzeiten eng zusammen

Schwarz-weißes Design, Hemden, Leder und akkurates Tailoring: Die Marke Karl Lagerfeld hat sehr wiedererkennbare Designcodes, inspiriert vom Gründer und seinem persönlichen Look. Seit 2015 designt Hun Kim in seiner Rolle als Creative Director für das Label und trat nach Lagerfelds Tod 2019 ein Erbe mit großer Verantwortung an. Er entwirft Stücke, die das Vermächtnis von Karl Lagerfeld ehren, aber auch neu interpretieren sollen. Doch kann er sich im Rahmen eines so ikonischen Designs überhaupt kreativ austoben? Im Interview mit VOGUE verrät Hun Kim, wie er dafür Vergangenheit und Zukunft zusammenbringt.

Hun Kim im VOGUE-Interview über das kreative Erbe der Marke Karl Lagerfeld

Look aus der Kollektion von Karl Lagerfeld für Herbst/Winter 2024.

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VOGUE: Wie unterscheidet sich Ihre Interpretation der Marke vom früheren Karl Lagerfeld?

Hun Kim: Ich sehe meine Designs mehr als eine Fortsetzung davon, nicht als etwas komplett anderes. Eigentlich ist es so, als wäre er noch da, denn ich arbeite genauso weiter wie damals.

Die Marke hat eine sehr starke visuelle DNA. Wie bringen Sie da Ihre persönliche Note ein?

Karl war immer offen für Neues und wäre nicht zufrieden gewesen, hätte ich etwas designt, das genauso gut von ihm hätte stammen können. Wenn ich etwas verändern möchte, dann kann ich das tun. Die Marke ist sehr von Schwarz-Weiß geprägt, klar, aber manchmal bringe ich etwas mehr Farbe ins Spiel, zum Beispiel Lila für Herbst/Winter 2024. Ich liebe die Farbkombination.

Wie sah Ihre Zusammenarbeit mit Karl Lagerfeld früher aus?

Ich zeichnete sehr viel, denn er bat mich, immer alle Entwürfe zu zeichnen. Einmal flüsterte er mir dabei ins Ohr: "Ich verstehe nicht, wie man etwas entwerfen kann, ohne es vorher zu zeichnen." Er gab mir Feedback zu meinen Zeichnungen oder malte selbst noch etwas dazu. Ich habe noch einige dieser Skizzen von ihm. Das sind kostbare Schätze für mich.

Wie gehen Sie beim Entwerfen einer neuen Kollektion vor?

Ich achte auf Inspiration um mich herum. Manchmal sehe ich selbst einen Film, Street-Art oder ein Gemälde und greife das in der Kollektion auf. Oder ich lasse mich von Karls liebsten Filmen, Architektur oder Musik inspirieren. Einmal war die Inspiration zum Beispiel sein Lieblingsfilm "Das Cabinet des Dr. Caligari". Dann schaue ich mir das Archiv an, das haben wir mittlerweile digitalisiert, und bestelle passende Teile daraus ins Büro. Ich studiere sie dann – die Verarbeitung, die Nähte, einfach alles. Manchmal sehe ich mir dasselbe Kleid mehrmals an, und jedes Mal entdecke ich etwas Neues, beispielsweise, wie Karl den Saum gestaltet hat.

Wie geht es danach weiter?

Ich brainstorme immer viel mit meinem Designteam. Manchmal lade ich es dafür zum Frühstück ein. Denn ich habe zwar Ideen, aber ich kann keine Kollektion komplett allein entwerfen. Wir tauschen uns aus, und dann fangen wir an zu zeichnen. Die Skizzen sind wichtig. Sie helfen uns, den Überblick über die Kollektion zu behalten und das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn ich 100 Teile entwerfe, mache ich um die 200 bis 300 Skizzen. An den Schwielen an meinen Händen erkennt man, wie weit ich bin.

Wie haben sich Ihre Hände nach dem Design der Herbst/Winter-Kollektion 2024 angefühlt?

Sehr dick. Ich musste die Hornhaut etwas abfeilen, aber jetzt bin ich bereit für die Saison. (lacht)

Hun Kim bleibt Karl Lagerfeld Signature-Schwarz-Weiß treu.

Sie arbeiten auch mit einer Software, die digitale Renderings von Produkten erstellt. Wie nutzen Sie dieses Tool?

Dank der Software verschwenden wir weniger Stoffe, da nicht alle Muster mehrmals genäht und abgeändert werden müssen. Auch Karl konnte sich immer für neue Technologie begeistern. Einfache, schlichte Designs kann man gut damit anfertigen, komplizierte Schnitte wie Kleider nicht. Die muss man sehen und anfassen. Funktionalität ist Ihnen sehr wichtig.

Wie zeigt sich das in der aktuellen Kollektion?

Ich mag funktionale Kleidungsstücke. Es ist praktisch, wenn man sie auf verschiedene Arten tragen kann. Karl sagte immer: "Ich will nicht, dass die Leute genau das tragen, was ich entworfen habe." Er wollte, dass sie die Stücke auch mal selbst interpretieren. Deswegen designe ich wandelbare Teile. In der aktuellen Kollektion gibt es zum Beispiel eine Daunenjacke, bei der man die Ärmel abnehmen kann, um sie zu einer Weste zu machen.

Was würde Karl Lagerfeld wohl zu Ihrer aktuellen Kollektion sagen?

Für diese Kollektion sind wir zu den Wurzeln zurückgekehrt – nach Paris. Dort begann Karls Karriere, und es wurde sein Zuhause. Also haben wir den Pariser Chic wieder aufleben lassen. Ich denke, sie würde ihm gefallen, vielleicht würde er sagen: "Ich fühle mich wie zu Hause, wenn ich mir deine Kollektion ansehe."

Wie werden Sie sein Erbe in Zukunft fortführen?

Wir sind von einer Menge Inspiration umgeben. Karl hatte manchmal im Supermarkt Ideen für seine Kollektion. Wer hätte das gedacht? Er sah die Schönheit in diesen Dingen. Ich werde also auch immer die Augen nach neuen Ideen um mich herum offen halten.

Diesen Artikel finden Sie in der brandneuen VOGUE-Septemberausgabe. Ab Samstag, 24. August 2024, ist diese im Zeitschriftenhandel erhältlich – oder hier über Amazon!

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