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Tiny Houses: Ich habe erstmals in einer Cabin übernachtet – so war der Urlaub zwischen Luxus und Natur

Tiny Houses erleben im Tourismus einen Hype. Was macht den Reiz dieser Mini-Ferienwohnungen aus? Unsere Redakteurin Katharina Fuchs übernachtete in einem 28-Quadratmeter-Häuschen.
Tiny House Reise Cabins
Lena Everding

Tiny Houses: Das macht die kleinen Häuser in der Natur so attraktiv.

Knapp acht Schritte brauche ich, um von der Eingangstür bis zum großen Panoramafenster zu laufen. Acht Schritte von einem Ende meines vorübergehenden Zuhauses bis zum anderen. Für die kommenden drei Nächte haben eine Freundin und ich uns in einer Cabin eingemietet. Zugegeben, beim Wort Cabin muss ich jedes Mal aufs Neue an den Horrorfilm "The Cabin in the Woods" denken.

An eine einsame Waldhütte und die völlige Abschottung von der Außenwelt. Was sich in der filmischen Fiktion als das blanke Grauen entpuppt, scheint in Realität die optimale Voraussetzung für Erholung. Dem Stress und der Hektik der Großstadt entfliehen und in der Abgeschiedenheit der Natur entspannen, gepaart mit einem unkomplizierten, aber dennoch komfortablen Minimalismus – das ist es, was Ruhesuchende an dem boomenden Konzept der Tiny Houses reizt.

Die Anbieter heißen Raus, Cabin28, Kuckuck, Green Tiny Houses und Cabinski, um nur einige zu nennen. Ich stoße auf Instagram auf Letztere, und die Nähe ihrer Cabins zu den Bergen begeistert mich sofort. Sie bieten in Österreich komfortable kleine Häuser, die mit einer stilvollen und minimalistischen Einrichtung eher an ein urbanes Design-Apartment als an eine rustikale Waldhütte erinnern – und die dank der großen Panoramafenster trotzdem nicht vergessen lassen, dass man mitten in der Natur und direkt in den Alpen ist. Für Menschen wie mich, die sich am Anblick von Bergen nicht sattsehen können, aber weder mit Camping noch mit Hütten etwas anfangen können (Stichworte: sehr leichter Schlaf gepaart mit überbordender Fantasie), scheinen diese Cabins die perfekte Alternative zu bieten.

Tiny Houses: Tourismus zwischen Architektur, Design und Natur

Und genauso ist es auch gedacht: "Cabinski steht für das Zusammenspiel aus Architektur, Design und Natur", erklärt Chris Eichhorn, der das Unternehmen gemeinsam mit Tim Suske gegründet hat. Ihre Klientel seien Abenteurer:innen der Stadt, die Sehnsucht nach Natur hätten und ausbrechen wollen würden. Ihr Anspruch sei gewesen, den touristisch genutzten Wohnraum für mehr Nachhaltigkeit zu minimieren. Die Idee sei schließlich im Frühsommer 2017 Realität geworden – mit der Pachtmöglichkeit einer rund 2500 Quadratmeter großen Wiese im Montafon.

Tiny House von Cabisnki

Lena Everding

Mittlerweile gibt es mit dem Großen Walsertal zwei Cabinski-Standorte, an denen 22 Minimalhäuser stehen – davon sechs sogar mit privater Sauna. Ausgestattet sind die 28 Quadratmeter großen Cabins mit einer voll funktionsfähigen Küche (samt handgefertigtem Steingutgeschirr aus Portugal), einem Bad mit Dusche (mit Bergwasser), Fußbodenheizung, Schlafmöglichkeiten für bis zu vier Personen (mit Bio-Bettwäsche), Lounge-Ecke (produziert von einer Polsterei aus Nürnberg), einer Musikanlage, über die eigens kuratierte Playlisten abgespielt werden können, und natürlich hochwertigen Interior-Elementen wie beispielsweise der bekannten Panthella-Lampe von Louis Poulsen. Mit dem Klischee rustikaler Feriendomizile im verspielten Landhaus-Stil haben die modern-minimalistischen Cabins also wenig zu tun.

Die Küche im Tiny House

Lena Everding

Auch meine Freundin und ich müssen beim Anblick des Interiors anerkennend nicken und kommen aus dem Fotografieren und Filmen gar nicht mehr heraus. Dabei ist es gar nicht so einfach, das Tiny House mit zwei Anwesenden bildlich festzuhalten, ohne sich gegenseitig vor die Linse zu laufen. Das Erste, was mir im Haus auffällt: Das naturbelassene helle Holz sorgt sofort für ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit. Ein Effekt, der noch verstärkt wird, als die Sonne durch die zahlreichen Fenster ins Innere der Cabin dringt und alles in einem hellen Licht erstrahlen lässt. Außerdem riecht es wunderbar nach Holz.

Wie magisch angezogen gehe ich sofort zum großen Panoramafenster. Der Ausblick auf das Lechquellengebirge ist fantastisch. Gigantische Bergmassive mit schneebedeckten Spitzen zieren das gegenüberliegende Tal. Hier könnte ich stundenlang sitzen und einfach in die Ferne starren. Doch zuerst geht's ans Auspacken. Bei 28 Quadratmetern will man natürlich keine offenen Koffer im Weg herumliegen haben. Die Staumöglichkeiten sind trotz der überschaubaren Raumgröße überraschend groß. Sowohl unsere Kleidungsstücke als auch unsere Koffer verschwinden in riesigen Schubladen. Die minimalistische Einrichtung animiert sofort dazu, Ordnung zu halten – nicht nur aus ästhetischen, sondern auch aus zweckmäßigen Gründen. Chaos würde in dem Tiny House einfach nicht funktionieren.

Rücksicht ist Voraussetzung

Die cleane und helle Optik sorgt gleichzeitig dafür, dass wir uns in der Cabin nicht eingeengt fühlen. Dazu passt auch der Spruch, der sich auf der Website von Cabinski findet: "Tiny isn’t really tiny when you are in a small high-quality space!" Ich muss dazu noch ergänzen: "...and share it with respectful people." Denn aufeinander Rücksicht zu nehmen, ist bei den Cabins unabdingbar – vor allem, wenn man den kleinen Wohnraum mit Menschen teilt, die man sonst nicht ständig um sich hat.

Meine Freundin und ich waren noch nie gemeinsam im Urlaub, im Alltag sehen wir uns nur abends oder am Wochenende für jeweils ein paar Stunden. Ob es da gut gehen kann, ein verlängertes Wochenende auf 28 Quadratmetern zu verbringen? Spoiler: Das tut es – sogar sehr gut. Aber eben auch deshalb, weil wir uns der besonderen Situation bewusst sind, verstärkt aufeinander achtgeben und immer wieder nach den Bedürfnissen der anderen fragen. Denn auch wenn unterschiedliche Eigenschaften und Interessen sowohl Beziehungen als auch Freundschaften spannender machen, sind es für einen (harmonischen) Aufenthalt in einem Tiny House die Gemeinsamkeiten, die entscheidend sind.

Schlafen mit Blick auf die Sterne

Wenn man derart nah aufeinanderwohnt, ohne die Möglichkeit, sich räumlich aus dem Weg zu gehen, muss man gleich ticken. So haben meine Freundin und ich nicht nur den gleichen Sinn für Ordnung (der, wie schon angeführt, essenziell ist, um gemeinsam auf 28 Quadratmetern zu leben), sondern auch einen ähnlichen Tagesrhythmus. Früher Vogel statt Nachteule. Wir sind beide ruhige Schläferinnen und können obendrein auch mal gemeinsam die Stille genießen. Während sie noch ein paar Mails beantworten muss, setze ich mich mit einem Buch und einem Kaffee draußen in die Sonne und genieße den Ausblick auf die Berge. So gehen wir uns das gesamte Wochenende über nicht einen Moment auf die Nerven – und haben zum Beweis dafür sogar wenige Tage nach dem Urlaub Lust, gemeinsam Abend zu essen.

Doch nicht ganz allein?

Nur: Ein Gefühl von kompletter Abgeschiedenheit will sich nicht so recht bei mir einstellen. In meiner romantisierten Vorstellung einer Cabin inmitten der Natur habe ich die Luftaufnahmen bei Google Maps schlichtweg ignoriert und bin dann vor Ort im Walsertal doch kurz ein wenig enttäuscht, weil das Haus nicht so abgeschieden liegt wie angenommen. So stehen die Cabins direkt an der Straße hoch zum Faschinajoch, die bei gutem Wetter von etlichen Motorrädern befahren wird. Hinzu kommt: Die zwölf Cabins, die aufgereiht nebeneinanderstehen, haben zwar einen Außenbereich, die Büsche, Bäume und Gräser verdecken den Blick ins Innere der benachbarten Cabin jedoch nicht komplett.

Ganz objektiv betrachtet, ergibt es natürlich Sinn – wirtschaftlich wie auch baumaßnahmlich –, die Tiny Houses nicht in maximalem Abstand zueinander aufzustellen. Der Platz ist schließlich nicht unbegrenzt. Hinzu kommt: Die gute Erreichbarkeit der Cabins erleichtert alltägliche Dinge wie die Lebensmittelversorgung immens. Im Großen Walsertal gibt es einen kleinen Hofladen, in dem regionale Produkte zur Selbstbedienung auf Vertrauensbasis angeboten werden. Und auch am Standort im Montafon gibt es einen Bauernhof in der Nähe, der einen Selbstbedienungskühlschrank hat. Angebote, auf die auch wir gern und oft zurückgreifen, denn der einzige Supermarkt im Umfeld hat eher unattraktive Öffnungszeiten, und das Angebot an Restaurants ist sehr überschaubar.

Und ein Großeinkauf, um für alles vorzusorgen, fällt aufgrund der Hausgröße aus, denn Stauraum für Vorräte ist nicht vorhanden. Eine gute Anbindung zahlt sich also aus. Und während es um uns herum immer dunkler wird, stellen wir fest: Eigentlich sind wir doch ganz froh, dass wir nicht komplett abgeschieden sind. Sie wissen schon: Hütten-Horrorfantasien. Und die luxuriösen Annehmlichkeiten wie WLAN, Fußbodenheizung, Induktionskochplatte und Spülmaschine, die in vielen abgeschiedenen Cabins nicht unbedingt vorhanden sind, genießen wir auch.

In unserer letzten Nacht liege ich dann im oberen Loftbett, höre meine Freundin unten leise atmen und blicke durch das Dachfenster über mir in die Nacht – und in einen Sternenhimmel, wie ich ihn schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich genieße die Stille, drehe mich um, kuschle mich in meine weiche Bettdecke und denke mir noch: An dieses ausbalancierte Maß an Abgeschiedenheit könnte ich mich gewöhnen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der VOGUE-Septemberausgabe – hier können Sie sie bestellen.

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