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Ich bin 23 und habe gerade zum ersten Mal "Sex and the City" gesehen – das sind meine Gedanken

VOGUE-Redakteurin Riann Phillip – die zwei Jahre jünger ist als die erste Folge von "Sex and the City" – beschreibt hier, warum die Serie seltsam auf die Gen Z wirkt.
Sex and The City
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"Sex and the City": Was passiert, wenn die Generation Z die bekannte Serie zum ersten Mal schaut?

Bei "Sex and the City" habe ich den Hype irgendwie verpasst. Damals habe ich die Serie nicht gesehen – vor allem, weil ich buchstäblich ein Fötus war, als die erste Folge 1998 ausgestrahlt wurde. Als Erwachsene habe ich es dann unbewusst immer wieder hinausgezögert in "Sex and the City" einzutauchen. Ich vermutete, dass ich, sobald ich die Serie sehen würde, völlig davon besessen sein und sie innerhalb von zwei Wochen verschlingen müsste.

Was genau steckt hinter dem Hype um "Sex and the City"?

Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums wurde ich nun damit beauftragt, die ikonische Serie für VOGUE – aus der Perspektive der Gen Z – zu rezensieren. Ich war so aufgeregt, endlich herauszufinden, worum es bei dem Hype geht: in der Mode zu schwelgen, die New Yorker Fantasien stellvertretend durch diese vier Frauen auszuleben und zu analysieren, ob man eine Carrie, eine Miranda, eine Samantha oder eine Charlotte ist. (Spoiler-Alarm: Ich bin keine von ihnen.)

Mit einer Verspätung von fünfundzwanzig Jahren habe ich die erste Staffel von "Sex and the City" geschaut – und das sind meine Erkenntnisse:

Ich liebe es, Carrie zu hassen

Carrie Bradshaw in ihrem ikonischen Tutu-Look.

©New Line Cinema/Courtesy Everett Collection

Carrie ist Journalistin in der Großstadt und hat eine Schuhsucht – soweit kann ich das Ganze noch nachvollziehen. Allerdings kann ich so viele der Schlussfolgerungen, die sie in ihren Kolumnen zieht, nicht nachvollziehen. Nehmen wir die zweite Folge, in der Carrie darüber schreibt, warum bestimmte Männer nur mit Models ausgehen. Am Ende beschimpft die Clique dann Models und unterstellt ihnen, dass sie Flittchen ohne richtige Jobs seien. (Ich zitiere Samantha: "Ich bin mit vielen Typen ausgegangen, und sie sagen, ich sei genauso schön wie ein Model, aber im Vergleich zu ihnen arbeite ich für meinen Lebensunterhalt.") Alle vier entpuppen sich als Pick-me-Girls (Frauen, die ständig nach männlicher Bestätigung suchen und sich dadurch kennzeichnen "nicht wie andere Frauen" zu sein). Anstatt sich auf Männer zu konzentrieren, hätte sich Carrie in ihrer Kolumne lieber auf Frauen konzentrieren und sich fragen sollen, warum diese mit so durchschnittlichen Typen ausgehen. Die Frage lautet also: Wie haben diese Typen es geschafft, die Models herumzubekommen?

Sexuelle Belästigung wird viel zu beiläufig behandelt

In vielerlei Hinsicht steht "Sex and the City" für die Zeit, in der die Serie gedreht wurde. In der dritten Folge besucht Carrie beispielsweise ihre verheirateten Freunde Patience und Peter, die in den Hamptons leben. Sie gibt zu, dass sie nur mit ihnen befreundet ist, um in ihrem Haus Urlaub machen zu können. Völlig unerwartet zeigt Peter Carrie dann seinen Penis, als sie auf dem Weg zur Toilette ist. Ich habe dreimal zusammen gezuckt: Erstens, weil Carrie sich in einem eigentlichen Safe Space, wie wir es heute berechtigterweise nennen würden, aufhielt und es dort zu sexueller Belästigung kam. Zweitens, weil Patience wütend auf Carrie zu sein scheint, obwohl sie in diesem Szenario das Opfer ist. Drittens, weil die Clique, sich so über die Situation austauschte, als wäre es keine große Sache gewesen. Samantha fragte sogar: "Also, wie groß war er?"

In einer anderen Szene, in Folge zwei, treffen wir einen Freund von Carrie, der uns verrät, dass er alle Frauen, mit denen er Sex hat, heimlich filmt. Carrie tut dies (nur!) als ein wenig seltsam ab. Samantha sieht darin sogar eine Gelegenheit, ihr Ego zu pushen und hat mit diesem Typen selbst Sex. Sie will sich beweisen, dass sie genauso heiß vor der Kamera aussieht, wie die Models. Das ist alles nicht nur super abstoßend und toxisch, sondern auch noch illegal.

"Sex and the City" stellt das New York City der 90er-Jahre nicht korrekt dar

Nun, ich habe um die Jahrtausendwende zwar nicht in New York City gelebt, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass die Stadt damals wie heute einer der diversesten Orte der Welt war. Laut den Volkszählungen von 1990 und 2000 waren 56,8 Prozent der New Yorker Bevölkerung ethnisch divers – und 25,2 Prozent der Bewohner:innen bezeichneten sich als Schwarz/Afrikanisch. In der gesamten ersten Staffel habe ich nur sieben nicht-weiße Charaktere gezählt – und alle hatten nur kleine Nebenrollen …

Samantha war ihrer Zeit voraus

Samantha Jones in einem typischen Samantha-Look: Rotes Kleid und Animal-Print.

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Samantha ist "nobody’s girl" – und beweist das jede Folge aufs Neue. Wenn man sich die Serie im Jahr 2023 anschaut, scheint Samantha nicht besonders radikal zu sein. Ihre lässige Einstellung zu Sex und Beziehungen ist heute so alltäglich, dass ich kaum mit der Wimper gezuckt habe. Nichtsdestotrotz war sie ihrer Zeit wirklich voraus. Ich musste mir immer wieder vor Augen führen, dass die Serie 1998 erstmals ausgestrahlt wurde, also zu einer Zeit, in der One-Night-Stands und Casual Dating noch ziemliche Tabu-Themen waren. Auf der einen Seite steht Charlotte, die von der Idee der perfekten Vorstadt-Familie schwärmt (und jeden verurteilt, der das nicht will), und auf der anderen Seite Samantha, die unbeeindruckt und stolz Sex hat, mit wem sie will und keine Rücksicht auf gesellschaftliche Erwartungen nimmt. Einer meiner Lieblingsmomente war ihre "Ich-habe-kein-Baby"-Shower – ein großartiges Beispiel dafür, dass es auch okay sein sollte, keine Kinder zu wollen.

Mag Mr. Big Carrie überhaupt?

Mr. Big und Carrie zeigen sich Arm in Arm.

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Er ist so unbekümmert – aber nicht auf eine sexy Art. Ich finde das Auf und Ab in der Beziehung zwischen Carrie und Mr. Big nicht aufregend, sondern langweilig. Er kann einfach nicht kommunizieren, sagt nie explizit, was er empfindet, weicht jeder Gelegenheit aus, es zu erklären. Kurzum: er ist der Inbegriff von toxisch. Aufgrund seiner Geheimniskrämerei habe ich in den ersten paar Folgen sogar gedacht, dass er heimlich verheiratet ist. Im Laufe der Staffel wurde sein Charakter dann zwar immer klarer, aber er behiekt etwas Irritierendes an sich.

Einige abschließende Gedanken zu “Sex and the City”

  • Diese Serie ist sehr schnelllebig. Kaum blinzelt man einmal, schon ist ein Charakter wieder verschwunden. Ich schätze, damit wird die Energie dieses aufstrebenden, fantastischen New Yorker Lebensstils eingefangen. Dennoch: Als Zuschauer:in hat man das Gefühl, dass die vier ein Leben voller Gossip, Partys und sexueller Eskapaden führen.
  • Es ist schon seltsam, die Protagonist:innen überall rauchen zu sehen.
  • Carries Haare sind toll. Es hat mich überrascht, dass sie ihre natürlichen Locken akzeptiert.
  • Das gelegentliche Durchbrechen der vierten Wand ist so 90er-Jahre …
  • Die Titelmelodie ist unglaublich gut. Sie ist jazzig, sie ist flirty, sie geht ins Ohr.
  • Miranda behandelt Skipper so (schlecht), wie Big letztendlich Carrie behandelt.