Elizabeth Debicki auf dem VOGUE-Cover: So fühlt es sich an, Prinzessin Diana zu spielen

Die Seriensensation „The Crown“ geht in ihre vorletzte Staffel, und alle Augen richten sich auf die späte Lady Di. Wir treffen ihre wandelbare und äußerst kluge Darstellerin in London. Und fragen, was das eigentlich mit ihr macht, in diesen Zeiten ausgerechnet mit jener Rolle präsent zu sein
Elizabeth Debicki VOGUE Cover November 2022
ELIZABETH DEBICKI trägt ein Kleid von ARMANI und Schmuck von DIOR. Geschminkt wurde sie mit Produkten von DIOR. Augen: DIORSHOW MASCARA und DIOR BACKSTAGE AUGENPALETTE IN BURGUNDY NEUTRALS. Lippen: DIOR ADDICT LIP GLOW IN 1947 MISS DIOR. Gesicht: DIOR FOREVER NATURAL NUDE LONGWEAR FOUNDATION. Foto: SCOTT TRINDLE. Styling: JACK BORKETT. Haare: EUGENE SOULEIMAN. Make-up: VASSILIS THEOTOKIS. Maniküre: TRISH LOMAX. Setdesign: JOSH STOVELL. Produktion: NORTH SIX. Schneiderin: ALINA GENCAITE 

Elizabeth Debicki auf dem Cover der November-VOGUE: Die “neue” Lady Di über ihre prominenteste Rolle in “The Crown”

Es dürfte zweifelsohne eins der meistbeachteten Serienereignisse des Herbstes werden. Wenige Wochen nach Anbruch des postelisabethanischen Zeitalters kehrt der Netflix-Megahit „The Crown“ zurück, mit einer fünften Staffel des britischen Königshausdramas und einer finalen Neubesetzung der Hauptrollen. Vom Buckingham-Palast bis zu den Sofas überall auf der Welt ist das Publikum gespannt wie nie zuvor – nicht zuletzt um einen ersten Blick auf die Person zu werfen, zu der ich gerade durch Highbury Fields in Nordlondon eile.

Elizabeth Debicki wurde vor zwei Jahren für die Rolle der 90er-Jahre-Diana gecastet. Aufgefallen war sie den Produzent:innen schon 2016 bei einem Vorsprechen, damals für eine kleine Rolle in der ersten Staffel. Sofort hieß es: „Das ist Prinzessin Di!“, auch wenn Debicki meint, eine große äußerliche Ähnlichkeit „nicht zu erkennen“. Perücke und Kajal einmal aufgelegt, war diese jedoch unübersehbar – und alle sich einig, dass sie die Rolle spielen müsse. „Spielen“ ist hier das entscheidende Wort. „Es ist eine Rolle“, sagt sie. „Ich habe keine große Meinung zur Königsfamilie. Das ist ein Vorteil, oder?“ Ob sie jemanden von ihnen persönlich kenne, frage ich sie, nachdem wir draußen einen Tisch in einem Restaurant gefunden haben, das sie mag, und ein ausgesprochen gesundes Mittagessen bestellen. „Nein“, antwortet sie und lacht. „Vielleicht werde ich das jetzt auch nicht mehr. Prinz Harry scheint ein lustiger Kerl zu sein“, fügt sie mit leicht australischem Akzent hinzu. Aber sie sagt, sie verfolge die königlichen Nachrichten überhaupt nicht. „Von der ‚Daily Mail‘ wird mir übel. Aber alle, die an der Show arbeiten, haben ein Gefühl dafür, wie extrem schwierig es ist, in dieses [Leben] hineingeboren zu werden“, fährt sie fort. Eine Annäherung an die königliche Welt scheint fast unmöglich, und doch fragt sie sich, ob der Grund, warum die Serie so viele Top-Schauspieler:innen anzieht, ein gemeinsames Gefühl des verlorenen Selbst ist. „Auch die Regeln sind für dich festgelegt: Weniger ist mehr. Obwohl Diana natürlich diese Regeln gebrochen hat. Sie hat die vierte Wand durchbrochen und davon profitiert, die Konsequenzen aber waren hart und heftig.“

Dekonstruiertes Kleid und lange Handschuhe, beides von MARC JACOBS. Ohrringe von DIORFoto: SCOTT TRINDLE. Styling: JACK BORKETT. Haare: EUGENE SOULEIMAN. Make-up: VASSILIS THEOTOKIS 

Durchaus. Natürlich ist es nicht nur eine Rolle. Fünfundzwanzig Jahre nach ihrem Tod bleibt Diana eine weltweite Obsession, wobei die Serie in den empfindlichen ersten Wochen nach der Thronbesteigung ihres Ex-Mannes erscheinen wird. Vielleicht kein ideales Timing für eine fiktionale Aufarbeitung der traumatischsten Zeit im Privatleben Seiner Majestät. Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. im September pausierten die Dreharbeiten für „The Crown“ für eine Woche. Derzeit wird die sechste und letzte Staffel gedreht, die voraussichtlich Ende 2023 ausgestrahlt wird. Es gab sogar Spekulationen, dass der Starttermin der fünften Staffel verschoben werden könnte. Aber nein – wie sich herausstellt, ist das Royal-Fieber weiterhin im roten Bereich und das Publikum bereits dabei, die früheren Staffeln erneut anzuschauen. Netflix, mit dem größten Drama der Saison im Ärmel, wollte da kaum warten. Zeit ist Geld. 

Ohne Frage ist diese Staffel brisant. Die historische Perspektive der ersten Staffeln, pompös und distanziert, weicht den spröden 90er-Jahren. Als eine Boulevard-Hölle aus abgehörten Telefonen, herzbrechenden Affären, Manipulation und Elend erzählt Dianas Story das brutale Ende ihrer Ehe und ihre heimliche Zusammenarbeit mit Andrew Morton am Skandal-Bestseller „Diana: Ihre wahre Geschichte“ im Jahr 1992. Und in den herausragendsten Folgen der Serie die alarmierende, verbrecherische Herangehensweise, wie die BBC und ihr Reporter Martin Bashir 1995 sie für ihr berüchtigtes „Panorama“-Interview gewannen. Wer erinnert sich nicht an folgendes Zitat: „Wir waren zu dritt in dieser Ehe.“ Das Erste, was Debickis Freund:innen wissen wollten, nachdem sie die Rolle bekommen hatte, war natürlich, ob sie das „Rachekleid“ tragen dürfe. Sie lacht. Die 32-jährige australische Schauspielerin, die ihren Durchbruch vor fast einem Jahrzehnt mit der Rolle der Jordan Baker in Baz Luhrmanns „Der große Gatsby“ feierte, versprüht eine Art unaufdringlichen Intellektualismus. Ursprünglich wurde sie als Teenagerin zur Balletttänzerin ausgebildet, ihr Hang zur Hochkultur ist geblieben. Ihr Small Talk dreht sich um Kunst, Bücher und Reisen, und da es Spätsommer ist, trägt sie eine gedeckte Leinenhose, ein Hemd und Dior-Sandalen, in denen sie von ihrem Haus in der Nähe zu unserem Treffen gelaufen ist. „Das ‚Rache-Kleid‘ hat mich unter Druck gesetzt“, sagt sie seufzend darüber, eine Kopie des schwarzen, schulterfreien Christina-Stambolian-Kleids zu tragen, in dem Diana 1994 zu einem Dinner in der Serpentine Gallery in London erschien. An jenem Abend, an dem ein Interview mit dem damaligen Prinzen von Wales ausgestrahlt werden sollte, in dem er seine Untreue zugab. „So ein Druck!“ Wie waren die Anproben? „Langwierig. Es ist ein komplexes Kleid. Ich habe die Anproben um mich herum geschehen lassen, während ich darüber nachdachte, was das Kleid bedeutet. Warum dieses Kleid? Sie hatte es bereits seit zwei oder drei Jahren. Zu der Zeit war es sehr gewagt.“ Und? „Sie hat den Raum für sich beansprucht. Die Art und Weise, wie sie aus dem Auto stieg, ihre Strahlkraft, ihre Stärke, als sich die Autotür öffnete; sie war so schnell und so entschlossen. Es ist unglaublich, sich das anzuschauen. Zu entscheiden, was man durch Mode über sich selbst sagt. Es war eine Währung – eine unglaublich mächtige Währung.“ 

Die erste Szene von Debicki als Diana verschlägt einem die Sprache. Als sie auf einer Jacht in Italien zu ihren „zweiten Flitterwochen“ Anfang der 90er-Jahre eintrifft (alias dem Defibrillator-Urlaub für ihre Ehe), ist die Körperlichkeit perfekt, die Stimme, an der sie monatelang in Videotelefonaten mit einem Coach gefeilt hat, so präzise, dass man einen Moment braucht, um all dies zu verarbeiten: ein schimmerndes, fast holografisches Abbild Dianas. Das gesenkte Kinn, das flüchtige Winken in die jubelnde Menge, die Augen – alles da. Auch die Haare sitzen perfekt. „Die Perückenshow“ haben die Darsteller:innen „The Crown“ getauft, während sie jeden Morgen stundenlang in der Maske verbringen, um ganze Narrative königlicher Frisuren zu perfektionieren. Mit Imelda Staunton als Queen und Dominic West als Prinz Charles ergibt das alles eine unheimlich gute Besetzung.

Bluse aus Seidenorganza, von DIOR. Handschuhe: privatFoto: SCOTT TRINDLE. Styling: JACK BORKETT. Haare: EUGENE SOULEIMAN. Make-up: VASSILIS THEOTOKIS 

Vielleicht war Debicki schon immer dafür bestimmt, ihren Diana-Moment zu haben. „Warum spiele ich immer eine traurige, einsame, wohlhabende Dame auf einem Boot?“, fragt sie trocken. Und doch ist es unübersehbar: Ob in „The Night Manager“, der gefeierten Le-Carré-Fernsehverfilmung, in der sie als Freundin eines Waffenhändlers (Hugh Laurie) durch Mallorca flitzt, oder auf einer Superjacht mit dem grausamen Milliardär Kenneth Branagh in Christopher Nolans „Tenet“. „Ich habe den Bootsmarkt wohl erobert“, sagt sie augenzwinkernd. „Keine Ahnung, wie. Ich war zuvor höchstens mal auf einer Fähre.“ Ihr Äußeres dürfte dabei jedenfalls nicht geschadet haben. Es ist großartig, ihr einfach nur beim Reden zuzusehen: selbst wenn sie mit ihren 1,90 Metern von der Nachbarskatze erzählt, die sie heimlich füttert, sind ihre Gesten fesselnd und ballettartig. Ebenso sind sie es in den weniger unbeschwerten Serienmomenten. Angesichts der bevorstehenden „The Crown“-Bombe dürfte sich der Palast am meisten Sorgen über die imaginären Szenen einer isolierten Diana in den letzten Jahren ihrer Ehe machen, gebrochen durch die Untreue ihres Mannes und ihre eigene und auf der Suche nach Sinn. Debickis Darbietung ist herzzerreißend.

Lesen Sie mehr
Unglaublich! Auf den neuesten “The Crown”-Fotos sieht Elizabeth Debicki exakt aus wie Lady Diana 

Für "The Crown" Staffel 5 dreht Elizabeth Debicki gerade auf Jackie Onassis' früherer Jacht. Fotos vom Set zeigen: Sie ist die perfekte Prinzessin Diana.

Auf diesen “The Crown”-Fotos sieht Elizabeth Debicki aus wie Lady Diana

Nach dem Mittagessen machen wir einen Spaziergang durch die Grünanlagen von Highbury Fields, voll von Gassigehenden und Samstagsflaneur:innen. Sie kauft mir ein Eis und meint: „Ich muss sagen, es ist ein riesiges Geschenk, zu erfahren, was ich über diese Person erfahren habe. In vielerlei Hinsicht ist es die Geschichte einer gewaltigen Transformation – und auch eines Triumphs. Die Öffentlichkeit konnte miterleben, wie sie sich zu einer unglaublich starken Frau entwickelt hat, die versuchte, ein Narrativ zu kontrollieren, das das unseriöseste überhaupt war.“ Am unseriösesten wurde es 1995, kurz vor ihrem explosiven Interview in der BBC-Sendung „Panorama“. Es war brisantes Timing, als während der Dreharbeiten ein zweiter Report darüber erschien, wie der Sender sie für sich gewann. Darin stellte sich heraus, dass ihr Interviewpartner, der damalige BBC-Journalist Martin Bashir, Bankdokumente gefälscht hatte, die einige ihrer engsten Berater:innen mit einem dubiosen Offshore-Konto in Verbindung brach- ten, von dem er behauptete, dass es vom MI5 und damit von der königlichen Familie genutzt wurde, um sie zu überwachen.

In Folge sechs der neuen Serie spielt Debicki Diana, die mit einer Baseballmütze allein in ihrem Auto sitzt und sich praktisch vor Verzweiflung übergibt, nachdem sie durch die Londoner Straßen gejagt wurde und feststellen muss, dass ihre Bremsen nicht funktionieren. Sie ist bereit, die „Wahrheit“ von Bashirs erfundenem Verrat zu glauben; die Serie zeigt die zahlreichen Tricks, mit denen er sie vor die Kamera lotste. Das Interview sollte alles zerstören, was von Dianas Beziehung zu den Windsors übrig geblieben war, und eliminierte ihr Vertrauen in die königliche Sicherheit. Sie war hilflos. „Wenn man Medienfutter ist, zählt das, was die Zeitung verkauft“, sagt Debicki, „aber für sie war es immer etwas Persönliches. Wie könnte es das nicht sein?“ Die langwierigen Szenen der Ehetrennung sind hart anzusehen und seien anstrengend zu drehen gewesen, sagt sie, „weil man in den unterirdischen Teil der Psyche vordringt, zu den schmerzhaftesten Punkten“. Am Ende eines langen, imaginären Streits zwischen Diana und Charles im Kensington-Palast schimpft Dominic West: „Ich gehe hier befreit weg. Ich bin mir nur noch mehr sicher, dass wir nur das Glück und die Stabilität finden können, die uns 16 Jahre lang gefehlt haben, wenn du aus meinem Leben und aus dieser Familie verschwunden bist.“ Diana, die am Küchentisch sitzt, bricht in Tränen aus und schreit lautlos. Es wird interessant werden, wie die Zuschauer:innen reagieren.

Langes Kleid aus Spitze, Unterwäsche, breiter Ledergürtel, Schuhe, Armreif und Ohrringe, alles von DIOR. Handschuhe von MISCREANTSFoto: SCOTT TRINDLE. Styling: JACK BORKETT. Haare: EUGENE SOULEIMAN. Make-up: VASSILIS THEOTOKIS 

Für Debicki, Tochter zweier Balletttänzer:innen, die in Paris geboren wurde und im Alter von fünf Jahren nach Melbourne zog, wird es die bisher sicher prominenteste Performance ihrer ruhigen, aber beeindruckenden Karriere sein. Sie war schon im Teenageralter der Schauspielerei zugewandt, schloss als Klassenbeste die Schule ab und studierte anschließend Schauspiel. Auf der Theaterbühne stand sie unter anderem bereits an der Seite von Cate Blanchett und Isabelle Huppert in „Die Zofen“ für die Sydney Theatre Company. Heute besetzen Regisseur:innen von Christopher Nolan bis Steve McQueen sie wegen ihrer intelligent emotionalen – oder sollte man sagen: emotional intelligenten? – Fähigkeit, komplexe Charaktere vor der Kamera zu zeichnen. Auch die Mode ist auf sie aufmerksam geworden. Als Botschafterin für Dior Jewelry genießt sie den Rummel „von Zeit zu Zeit“, wie sie lächelnd sagt. Meistens jedoch hält sie sich bedeckt und führt ein nomadisches Leben am Set mit gelegentlichen Aufenthalten in ihrem Londoner Zuhause. Sie lebt seit Jahren mit Unterbrechungen in der Stadt und genießt das Maß an Erfolg, das es ihr ermöglicht, tolle Rollen zu bekommen und gleichzeitig mit einem Eis durch die Straßen zu spazieren und über lustige Hunde zu kichern. Ich frage, ob sie bereit sei für den stellvertretenden „Diana-Effekt“. „Ich glaube, ganz am Anfang hat mich die Vorstellung von diesem Kollektiv [an Diana-Jünger:innen] da draußen überwältigt. Es ist eine Falle, richtig? Ein tiefer Sumpf. Am Anfang stand ich also über der Küchenspüle und sagte: ‚Ich kann das nicht.‘“ Aber allmählich fand sie sich in den Akzent ein – bis zu dem Punkt, an dem ihre Schwester und Freund:innen auch damit anfingen. Dann kamen die Drehbücher an, und sie erkannte: „Das hier ist nicht meta. Das hier sind geschriebene Charaktere.“ Wird das Publikum diese Unterscheidung verstehen und machen? Das wird sich zeigen. „Ich hoffe, ich habe ihr etwas Interessantes gegeben“, sagt Elizabeth Debicki, nachdenklich wie immer. „Das ist das höchste Ziel.“ 

Die neue Staffel „The Crown“ startet am 9. November auf Netflix.

Entdecken Sie die neue VOGUE für November 2022 mit Elizabeth Debicki als Coverstar – jetzt überall im Zeitschriftenhandel oder auf amazon.de! 

ELIZABETH DEBICKI trägt ein Kleid von ARMANI und Schmuck von DIOR. Geschminkt wurde sie mit Produkten von DIOR. Augen: DIORSHOW MASCARA und DIOR BACKSTAGE AUGENPALETTE IN BURGUNDY NEUTRALS. Lippen: DIOR ADDICT LIP GLOW IN 1947 MISS DIOR. Gesicht: DIOR FOREVER NATURAL NUDE LONGWEAR FOUNDATION. 

Scott Trindle
Weitere Themen bei Vogue: