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Lasst Kate Middleton in Ruhe – die Royals bearbeiten ihre Bilder schon seit Jahrhunderten

Ein Blick in die Vergangenheit royaler Fotografien verrät: Schon seit Jahrhunderten werden Porträts oder Familienfotos von britischen Monarch:innen bearbeitet. Mal sorgt das für mehr, und mal für weniger Aufsehen.
Hat ein Familienfoto bearbeitet Kate Middleton die Prinzessin von Wales
Die Prinzessin von Wales Anfang 2023 in Leeds, England.Samir Hussein

Kate Middleton hat ihr Familienfoto bearbeitet – und damit viele Fragen aufgeworfen. Ein Blick ins royale Bilder-Archiv dürfte sie entspannen: Bearbeitet wird schon immer.

Eigentlich sollte das Familienfoto von Prinzessin Kate und ihren Kindern die aus dem Ruder gelaufenen Internet-Theorien über ihren Gesundheitszustand beenden. Aber irgendwie hat das harmlose Familienporträt, das am Muttertag veröffentlicht wurde, die Flammen nur noch weiter angefacht. Zwar hat sich Catherine inzwischen für die misslungene Bearbeitung entschuldigt, doch hat der Vorfall eine heftige Debatte über die Genauigkeit und Ehrlichkeit königlicher Fotografie ausgelöst.

Bilder von Monarch:innen wurden schon immer bearbeitet, um ein bestimmtes Image zu erzeugen

"Diese ganze Frage nach der Realität und der Genauigkeit königlicher Bilder ist eine sehr junge Frage", erklärt die Historikerin Sarah Gristwood: "Die Idee, dass ein Porträt mit allen Fehlern versehen sein sollte, wäre in früheren Jahrhunderten sehr abwegig gewesen. Aber es gab zwei große Veränderungen auf dem Weg dorthin – die erste war die Erfindung der Fotografie. Die zweite ist in jüngerer Zeit mit dem Internet eingetreten."

Im Laufe der Geschichte wollten Könige und Königinnen sowohl von ihrem Volk als auch von ihren Rival:innen als beeindruckend wahrgenommen werden. Schließlich gab es vor Jahrhunderten nicht viele, die die Richtigkeit ihres Bildes anzweifeln konnten – damals gab es noch keine Kameras, kein Fernsehen und keine sozialen Medien: "Als Elisabeth I. in ihren 60ern war, wurde sie mit der sogenannten Maske der Jugend gemalt", erzählt Gristwood. "Karl I. wurde gemalt, um größer auszusehen, Georg IV. wurde wahrscheinlich gemalt, um schlanker auszusehen – wenn man sich Bilder von ihm ansieht und dann die Geschichten hört – und Heinrich VIII. wurde zweifellos gemalt, um beeindruckender auszusehen. Gemalte Porträts waren immer die Vision des Künstlers vom Monarchen, kombiniert mit dem, was der Monarch sehen wollte. Es wurde einfach als realistischer Teil der PR-Maschine betrachtet. Die Idee des Aufhübschens ist nicht neu - was neu ist, ist, dass das Aufhübschen angeprangert wird."

Das vom Kensington-Palast veröffentlichte Familienfoto zum Muttertag.

The Prince of Wales/Kensington Palace

Eines der wenigen Male, dass ein königliches Porträt als gefälscht angegriffen wurde, ist fast 500 Jahre her – während der Tudorzeit: "Das letzte Mal, dass so viel Aufsehen um das Porträt einer zukünftigen Königin von England gemacht wurde, war, als Hans Holbein in den 1530er-Jahren Anne von Kleve für Heinrich VIII. malte", sagt Gristwood. "Heinrich verliebte sich in das Porträt, aber als er sie traf, stellte er fest, dass sie in Wirklichkeit überhaupt nicht dem Bild entsprach."

Erst mit Königin Elisabeth II. wurde die Monarchie in Großbritannien nahbarer

Der Wunsch, die Royals als nahbar und menschlich zu verstehen, ist ein relativ modernes Konzept, das während der Regierungszeit von Königin Elisabeth II. populär wurde und mit der Verbreitung der Fotografie und dem Aufkommen des Fernsehens zusammenfällt. Die Wahrhaftigkeit von Fotos ist es, die sie bei der königlichen Familie so beliebt macht. Ganz im Sinne der Maxime der verstorbenen Königin, dass man sie "sehen muss, um ihr zu glauben". Aus diesem Grund veröffentlichen sie häufig "Schnappschüsse" zu verschiedenen Anlässen – von Geburtstagen bis Weihnachten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass hinter diesen Bildern immer eine bestimmte Absicht steht, wie bei dem Schnappschuss zum Muttertag der von Wales'. Dass dieses Bild in irgendeiner Weise bearbeitet wurde, ist, vor allem heutzutage, eigentlich allen klar. Zerknitterte Hemden, ein unpassendes Haar – man kennt es – da ist es nicht fair, das in dem Fall als "unehrlich" oder "ungenau" zu bezeichnen, wie es bei dem Muttertagsfoto jüngst getan wurde.

"Die Manipulation des fertigen Bildes, um ein harmonisches Ganzes zu schaffen, geht auf die Anfänge der Fotografie zurück", erklärt Robin Muir, Contributor bei der britischen VOGUE. "Die Erfindung der Fotografie fiel fast genau mit der Thronbesteigung von Königin Victoria im Jahr 1837 zusammen. Ihr Ehemann Albert war sich ihrer Wirkung bewusst und wusste, dass sie ein wichtiges Propagandainstrument sein könnte. Als zum Beispiel eine Daguerreotypie [ein heute nicht mehr übliches fotografisches Verfahren, bei dem Metallplatten verwendet werden, Anm. d. Redaktion] von Victoria aufgenommen wurde und sie sich zufällig im falschen Moment bewegte, war sie darauf mit geschlossenen Augen zu sehen. Als sie sie sah, verunstaltete sie sie und verlangte eine neue – sie wollte auf keinen Fall zulassen, dass ein für sie als falsch empfundenes Bild in die Öffentlichkeit gelangt, ganz gleich, ob es ehrlich und echt war", sagt Muir.

Die Anfänge royaler Fotografie sind von Bildbearbeitung geprägt

Auch Prinzessin Alexandra, die Diana ihrer Zeit, wurde auf den Krönungsaufnahmen von 1902 bearbeitet, wie der königliche Historiker Gareth Russell erklärt: "Sie war sehr schön, aber man beschloss, ihre Falten zu glätten. Auf den unberührten Negativen sah sie wie eine wirklich attraktive Frau in ihren 60ern aus, auf den retuschierten aber wie eine wirklich attraktive Frau in ihren 40ern."

Cecil Beaton, ein Lieblingsfotograf von "Queen Mum", der Mutter von Königin Elisabeth II. und Prinzessin Margaret, war ein Fan der Retusche, musste aber vor der Einführung der Digitaltechnik noch mit weißer Farbe auf die Negative malen, um die Stellen auszubessern, die ihm nicht gefielen. "Retusche war eine Selbstverständlichkeit, als Cecil Beaton ab 1939 die königliche Familie fotografierte", erklärt Muir, "ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Archiv einen fertigen Vintage-Abzug von Beatons königlichen Bildern gibt, der nicht mit Bleistift und Skalpell bearbeitet wurde. Das war schon immer so – nur die Mittel, mit denen das geschieht, haben sich geändert und die Öffentlichkeit ist aufmerksamer geworden."

Queen Elizabeth, die Mutter von Königin Elisabeth II., fotografiert 1939 von Cecil Beaton, der offenbar ein Fan von Retusche war.

Cecil Beaton

Nicht jede Bildveränderung kam bei den Monarch:innen gut an

Doch die Royals waren nicht mit allen Veränderungen einverstanden, erklärt Russell: "Die Königinmutter gab Beaton gegenüber zu, dass sie sich auf den Krönungsfotos von 1937 "so hässlich" gefühlt habe. Als er 1950 die Bilder ihres 50. Geburtstags retuschierte, um sie strahlender aussehen zu lassen, schickte sie die Bilder zurück und meinte, sie seien zu perfekt und er könne ihr echtes Kinn wieder einfügen."

Im Jahr 1999 gab der Fotograf Sir Geoffrey Shakerley zu, die Hochzeitsfotos von Prinz Edward und Sophie Rhys-Jones digital verändert zu haben. Es gibt zwar unterschiedliche Berichte darüber, ob der 17-jährige Prinz William auf dem Originalbild wegschaute oder grimmig schaute, aber das Endergebnis war, dass Sir Geoffrey ein Bild von William von einem früheren Tag ausschnitt und in das Gruppenfoto einfügte: "Es war eine spontane Entscheidung von Sir Geoffrey, um Prinz William im besten Licht zu zeigen und seine ausgelassene Stimmung widerzuspiegeln", sagte der Assistent des Fotografen, Robert Simpson, später.

Ein bearbeitetes Foto muss nicht eine solche Debatte auslösen, wie die um Kate Middleton

Die Aufregung über den Photoshop-Fehler der Prinzessin von Wales ist sicher zu einem großen Teil auf die intensiven Spekulationen zurückzuführen, die die Familie derzeit umgeben. Auch der Umgang mit vergangenen Fauxpas, die oft unter den Teppich gekehrt oder ignoriert wurden, heizt die Gerüchteküche an. Als im vergangenen Dezember Ungenauigkeiten – ein fehlender Finger bei Louis, ein zusätzlicher Fuß bei jemand anderem – auf der Weihnachtskarte der Familie des Prinz und der Prinzession von Wales publik wurden, wurde kaum darüber gesprochen. Auch ein im Sommer 2022 veröffentlichtes Foto der verstorbenen Königin Elisabeth II. mit acht ihrer Urenkel und zwei ihrer Enkelkinder – alle lächelnd und in die Kamera blickend – stand im Verdacht, weniger euphorische Gesichter durch glückliche Gesichter ausgetauscht zu haben. Keine dieser Fotografien erregte derart große Aufmerksamkeit,wie die Änderungen beim aktuellen Foto.

"Das geht schon seit Jahrzehnten so, aber wir befinden uns in einer Zeit, in der sich die Öffentlichkeit immer mehr Gedanken darüber macht, was die Technik alles kann", sagt Russell, und fügt hinzu: "In gewisser Weise ist die Reaktion gegen Kate eine Folge dieser Entwicklung. Vielleicht ist es am besten, dem Beispiel der verstorbenen Queen Mum zu folgen und das Doppelkinn wieder einzubauen".

Dieser Artikel erschien im Original auf Vogue.co.uk.

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