Neu im Kino

“Priscilla” im Kino: Und die Sofia-Coppola-Formel greift erneut

In "Priscilla" erzählt Regisseurin Sofia Coppola die Geschichte einer Frau auf der Suche und macht dabei nahezu beiläufig ihre Hauptdarstellerin zum Weltstar. Wie gelingt ihr das?
Die SofiaCoppolaFormel Das Geheimnis hinter ihren preisgekrönten Filmen
Regisseurin Sofia Coppola mit der echten Priscilla Presley in VenedigSaskia Lawaks

Sofia Coppola schafft zeitlose Filme mit weiblichen Figuren im Fokus – so setzt sie ihre Erfolgsformel auch in ihrem neuesten Biopic "Priscilla" um.

Man nehme eine ausgereifte Story mit starker Frauenfigur, arrangiere diese in einem explosiven sozialen Setting und würze mit subtiler Bildsprache und coolem Sound. Anschließend mische man die Melange mit Stil, Substanz und Sensibilität und besetze zu guter Letzt die Hauptrolle mit einem talentierten Jungstar. Je nach Geschmack füge man noch eine Prise historisches Kostüm dazu. Heraus kommt: ein Film von Sofia Coppola. Es scheint, als ob die Regisseurin eine Geheimformel für die Schaffung von zeitlosen Filmen gefunden hat, die von wunderbaren, weiblichen Figuren getragen werden. Neuestes Beispiel: das Biopic "Priscilla". Die Soldatentochter Priscilla Beaulieu lernte Elvis Presley im Jahr 1959 als 14-jähriges Mädchen kennen, heiratete den "King of Rock’n’Roll" mit knapp 22, bekam mit ihm Tochter Lisa-Marie und ließ sich sechs Jahre nach der Hochzeit wieder scheiden. 1985 veröffentlichte Priscilla Presley ihre Erinnerungen an diese Beziehung unter dem Titel "Elvis and Me", in dem Presley ihren Ex-Mann als "die große Liebe meines Lebens" bezeichnete. Ein Geständnis, zu dem sie, die nie wieder geheiratet hat, auch heute noch mit 78 Jahren steht. Warum das so ist, obwohl in dieser Beziehung Unmengen an emotionalem Porzellan zerschlagen wurden und Elvis seine viel jüngere, ihm lange unterlegene Frau ebenso angebetet wie unterdrückt hat, das zeichnet Sofia Coppolas aktueller Film nach.

"Meine Mutter Eleanor stammt aus der Generation von Priscilla Presley", erläutert Sofia Coppola im Interview anlässlich der Biopic-Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig im vergangenen September. "Manche Beziehungsstrukturen haben sich seitdem verändert, viele aber eben nicht. Frauen dieser Zeit ließen oft ihre Männer die Entscheidungen in der Beziehung treffen. Für mich als Tochter einer Frau dieser Generation, die aber selbst Töchter hat, war das natürlich sehr spannend. Romy und Cosima [Coppolas 17 und 13 Jahre alten Töchter aus der Beziehung mit Thomas Mars, Frontmann der Band Phoenix, Anm. d. Red.] haben sich bei manchen Szenen geradezu empört: 'Das würde ich ja nie zulassen, dass ein Mann mir sagt, was ich zu tun habe.'“

Sofia Coppola stellt die Erfahrungen von Frauen in den Mittelpunkt

Sofia Coppola sieht "Priscilla" als "Geschichte einer starken Frau, die ihre Autonomie und ihre Identität sucht". Das scheint auch der Markenkern sämtlicher Projekte der oscargekrönten Filmemacherin zu sein. Schon 1999 in Coppolas schwarzhumorigen Debüt "The Virgin Suicides" konnten ihre Protagonistinnen, die fünf Lisbon-Schwestern, schließlich ihrem erzkatholischen, strengen Elternhaus entfliehen, wenn auch durch Selbstmord. Vier Jahre später war die Studentin Charlotte so dermaßen überzeugend "Lost in Translation" in ihrem eigenen Leben unterwegs, dass ihre damals unbekannte Darstellerin Scarlett Johansson für einen Golden Globe nominiert wurde. Und 2010 musste die erst zwölfjährige Elle Fanning als Künstlertochter Cleo in "Somewhere" ihrem Filmvater (Stephen Dorff) beim Erwachsenwerden helfen.

Cailee Spaeny in Sofia Coppolas neuem Biopic "Priscilla"

A24

Sofia Coppola scheint zugleich auch ein unfehlbares Gespür dafür zu haben, talentierte Schauspielerinnen zu entdecken, um mit ihnen magische Kinomomente zu erschaffen. Die Tochter von Regielegende Francis Ford Coppola sucht bewusst nach Geschichten, die die Erfahrungen von Frauen in den Mittelpunkt stellen. Dieser Fokus spiegelt sich nicht nur in den Themen ihrer Filme wider, sondern auch in der Art und Weise, wie sie mit ihren Hauptdarstellerinnen arbeitet. Die 52-Jährige gibt den Frauen in ihren Filmen Raum, ihre Figuren mitzugestalten. Sie setzt oft auf Newcomerinnen, weil sie es selbst besser findet, "wenn man eine neue Darstellerin in einem Film sieht als jemanden, den man vorher schon oft woanders gesehen hat. Auf diese Weise kann sich das Publikum besser auf den Film einlassen."

Auch in “Priscilla” Ein Gespür für die Stars von morgen

Eine Priscilla-Presley-Darstellerin zu finden, erwies sich allerdings als Herausforderung. Immerhin deckt im Film die Entwicklung vom unbedarften Schulmädchen zur alleinerziehenden Mutter einen Zeitraum von etwa 14 Jahren ab. Unterstützung beim Casting bekam Sofia Coppola von Kirsten Dunst, denn seit der Arbeit am Biopic "Marie Antoinette" 2006 sind die beiden eng befreundet. Dunst hatte mit Newcomerin Cailee Spaeny schon gearbeitet, und "Kirsten ist für mich wie eine Schwester", erzählt Coppola. "Als sie mir den Hinweis mit Cailee gab, wurde ich hellhörig." Der Tipp war ein Volltreffer: Die 25-Jährige, vorher eher in Nebenrollen zu sehen, unter anderem im Sci-Fi-Spektakel "Pacific Rim: Uprising", trägt die Zuschauenden mühelos durch die Story von Coppolas Film und wurde bei dessen Premiere auf dem Filmfestival von Venedig zu Recht mit der begehrten Coppa Volpi, dem Darsteller:innenpreis ausgezeichnet. Auch Cailee Spaeny (die übrigens an der Seite eines weiteren Jungstars der Stunde spielt – Jacob Elordi als Elvis) schwärmt vor Ort von der Zusammenarbeit: "Mit Sofia ist es eben nicht nur ein Job, es ist eine gemeinsame Reise."

Es ist auch diese Partnerschaft, die Coppolas Filme von der Masse abhebt. Die Tiefe und Authentizität, die sie in ihren weiblichen Hauptfiguren hervorbringt, reflektieren die kreative Verbindung zwischen Regisseurin und Schauspielerin. Sofia Coppola mag die Filmwelt mit dem Erbe ihres Vaters betreten haben, aber es ist ihre ganz persönliche filmische Vision, die sie zu einer Pionierin des feministischen Kinos macht. Ihre besondere Beziehung zu den Hauptdarstellerinnen ist nicht nur eines der Geheimnisse hinter ihren preisgekrönten Filmen, sondern auch ein Beispiel dafür, wie weibliches Empowerment die Kinolandschaft bereichern kann.

„Priscilla“ läuft bereits ab 26. Dezember 2023 mit 35mm-Previews in ausgewählten deutschen Städten, der reguläre Kinostart ist am 4. Januar 2024.

Dieser Artikel ist Teil der neuen Januar/Februar-Ausgabe, die jetzt im Handel oder auch online – zum Beispiel über Amazon – erhältlich ist!

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