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Modul 02-1C - Rechtliche Aspekte Der QM
Modul 02-1C - Rechtliche Aspekte Der QM
Modul 2
Qualität und Recht
Autor:
Inhaltsverzeichnis
Einleitung ... .. .... ........ ... .. ... .... ... .. .. ........ ... ... ..... ............... ...... .... ............... .... .... .5
2 Produktqualität und Produktverantwortung ...... .... .. .......... ... .. .... ....... ... ... ... ... ....6
2.1 Die Produktverantwortung nach dem Produkthaftungsgesetz .. .. .. .. .. ....... 6
2.1.1 Wofür wird gehaftet? ..... ... ... ... ... ........ .. .. .... .... .... ... ...... ....... .... ..... 7
2.1 .2 Wer haftet neben dem Hersteller? ................... .. .. .. ....... .. .... .. .......9
2.1.3 In welcher Höhe wird gehaftet? ...... ...... .... .. .. .. ....... .... .......... .. .... 10
2.1.4 Qualitätssicherungsvereinbarungen -
Begrenzung der Haftung? ........ ... .................. .... ...... .. ....... .. .. ..... 11
2.2 Weitere rechtliche Grundlagen der Produktverantwortung .... ....... .. .. .. .. . 15
2.2.1 Produktverantwortung und vertragliche
oder gesetzliche Gewährleistung ....... ... .... ........... ..... .... .... ..... .. . 15
(
2.2.2 Produktverantwortung und deliktische Haftung ..... .. .. .. .. .... ....... 20
2.2.3 Produktverantwortung und Strafrecht ............. ....... .. ..... ... ... ...... 22
2.2.4 Produktverantwortung und Arbeitsrecht ...... .... .... ..... .. ..... .... .. .. .. 23
2.3 Persönliche Haftungsrisiken für Geschäftsführung
und leitende Mitarbeiter ... ........ ........ ............. .. ..... .................. ........ .. ..... 26
3 Qualitative Anforderungen an die Produktsicherheit.. .................................... 29
3.1 Verkehrssicherungspflichten nach den Vorgaben
der Rechtsprechung .... .. .... ... ... .... .. ... ...... ... .... .... ........... .. .................... .. 30
3.1 .1 Konstruktionsfehler ..... ... .. ...... ....... ....... .......... ... ...... ..... ... ... .... .. . 31
3.1 .2 Fabrikationsfehler .... ..... ..... ..... ...................... ...... ...... .... .. ...... .. .. 33
3.1.3 Instruktionsfehler ...... .. ... ... .... ..... ..... ..... .. ... .. .... ... .. ... .. .. .. .... ........ 34
3.1.4 Produktbeobachtung .... .. ... ... ... ..... ... ............. ........... ...... ..... ...... . 37
( 3.2 Verkehrssicherungspflichten nach dem Geräte-
und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) ...... ................ .. .................. ... ..... 38
3.2.1 Wofür gilt das GPSG? .. ...... .... ................ .. ................ ......... .. ...... 39
3.2.2 Ausschluss der "vorhersehbaren Fehlanwendung" .................. .. 41
3.2.3 Besondere Sicherungspflichten für Verbraucherprodukte .. .... .... 42
3.2.4 Behördliche Produktüberwachung ... ..... .. ... .... .. ...... ... .. .... ........... 43
3.2.5 CE-Kennzeichnung und GS-Zeichen .. .. ........ ...... ..... .......... .... .. .. 43
4 Internationale und aktuelle Aspekte der Produkthaftung .......... ............... .. .. .. . 45
4.1 Internationale Dimension der Produkthaftung ....... .. .. .. ... .. .. ... .. .. ... .... ..... 45
4.1.1 Haftung nach ausländischem Recht.. .............. ........ .. ......... .... .. .45
4.1.2 Haftung durch Vollstreckung im Aus- und Inland ...................... . 46
4.2 Aktuelle Aspekte der Produkthaftung .... ...... .. ... .. .... ...... .. .. ... .. .. .... ... .. .. ... 47
Literaturverzeichnis ..... ... ... .. ... .... ......... .... .. .... .... ... ...... ......... .. ... ...... .... ....... ..... .... 48
1 Einleitung
Wenn der Glasschmelzofen nicht die vereinbarte Leistungsrate erfüllt, wenn das
EC-Kartenlesegerät den Magnetstreifen beschädigt, wenn sich Typhusbazillen
in der Trinkmilch befinden oder auch wenn der Gaszug im Auto nicht zurück geht;
in all diesen Fällen geht es um Produktqualität. Sowohl das Unternehmen, wie
auch die verantwortlichen Mitarbeiter und Mitglieder der Unternehmensführung
sind daran interessiert, eine finanzielle oder gar strafrechtliche Haftung zu ver-
meiden. Behördliche Auflagen zur Untersagung der Vermarktung des Produktes
sollen von vornherein ausgeschlossen und der Bestand von langjährigen
( Lieferbeziehungen aufgrund von fehlerhaften Produkten nicht gefährdet wer-
den.
Produktqualität und ihre Sicherstellung hat also auch etwas damit zu tun,
Produktverantwortung wahrzunehmen. Werden die rechtlichen Risiken , die sich
bei der Vermarktung eines Produktes realisieren können, ermittelt, evaluiert und
bereits im frühen Stadium der Herstellungs- und Vertriebskette angemessen
berücksichtigt, werden die Risiken also letztlich "gemanaged", kann auch das
finanzielle Risiko für das Unternehmen und den Unternehmer begrenzt werden.
"Produktverantwortung" ist dabei in zweierlei Hinsicht weit gefasst: Zum einen
meint juristische Produktverantwortung des Unternehmers für sein Produkt
nicht nur die Produkthaftung im klassischen Sinn, sondern auch die (weitere)
deliktische Haftung, die Gewährleistung und die strafrechtliche Haftung sowie
insbesondere die Beachtung der Vorgaben des öffentlichen Sicherheitsrechts
(z.B. Geräte- und Produktsicherheitsgesetz). Zum anderen sind Produkte
nicht nur körperliche Sachen (Konsumgegenstände oder techn ische Anlagen).
Als solches wird auch die Dienstleistung (z.B. Bankdienstleistung, ärztliche
Behandlungsleistung) verstanden. Es geht also nicht nur um die Verantwortung
in der Güterproduktion. Zu beachten ist lediglich, dass viele gesetzliche
Vorschriften bislang ausschließlich auf das Produkt als körperliche Sache ab-
stellen.
Juristische Produktverantwortung
I Juristische Produktverantwortung
1 1
Öffenüiches Produkthaftung Gewährleistung Deliktische StrafnlchtJiche
SIcherheitsrecht (Im klassischen §§ 437, 634 BGB Haftung Haftung u. a.
u.a. GPSG Sinn) L,Produzenten- • Totschlag
ProdHftG haftung")
§823 BGB • Körper-
verletzung
• Sach-
beschädigung
1 1
Verantv.ortung der
Geschäftsführung +Mitarbeiter
I Verantv.ortu ng des Unterneh mens
Abb. 1: Juristische
Produktverantwortung
Der Kern der juristischen Produktverantwortung und das, was auch herkömm-
licherweise als "Produkthaftung" verstanden wird, ist in dem zum 01.01 .1990
in Kraft getretenen Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) geregelt. Das Gesetz
geht auf eine EG-Richtlinie (Richtlinie 85/374/EWG vom 25.07.1985) zurück.
Das Gesetz stellt in vielen Bereichen eine Harmonisierung der unterschied-
erodukthaftung
für Güter
( nicht: Dienstleistungen
• In-Verkehr-Bringen • Hersteller
eines fehlerhaften • Zulieferer I Sachschäden I lpersonenschädeni
Produkts
• Quasi-Hersteller
• unabhängig vom ("Branding U ) unbegrenzt max. € 85. Mio.
Verschulden
• EU-/EWR-Importeur
• Tötung, Körper-l
Gesundheitsver- • Lieferant
letzung
• Sachbeschädigung als Gesamtschuldner
Abb. 2: Produktverantwortung
nach dem ProdHaftG
"Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper
oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der
Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus
entstehenden Schaden zu ersetzen . Im Falle der Sachbeschädigung
Die Haftung nach dem ProdHaftG setzt also voraus, dass ein gesetzlich ge-
schütztes Rechtsgut verletzt wird. Fehlt es daran, tritt keine Haftung nach dem
ProdHaftG ein.
Produkt im Sinn des ProdHaftG ist nach § 2 jede bewegliche Sache. Das
Gesetz gilt damit nur für die Warenproduktion und -vermarktung, nicht aber für
die Erbringung von Dienstleistungen.
Eine Körperverletzung liegt bereits dann vor, wenn die eine Körperverletzung
begründende Handlung zu einem Zeitpunkt gesetzt wurde, als der Verletzte
noch nicht geboren war. Geschützt von § 1 Abs. 1 ProdHaftG ist also be-
reits das ungeborene Leben. Dies hat die Rechtsprechung ausdrücklich im
Strafverfahren gegen die Geschäftsleitung der Firma Chemie Grünenthai fest-
gestellt (LG Aachen JZ 1971 , 507), in dem es um die Schädigung von Feten
durch die Einnahme des Schlaf- und Beruhigungsmittels Contergan durch
schwangere Frauen ging.
Beispiel:
• im Fall der Sachbeschädigung jedoch nur an anderen Sachen als dem feh-
( lerhaften Produkt, die dem pri vaten Ge-IVerbrauch dienen.
Wie dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 ProdHaftG zu entnehmen ist, haftet zunächst
nur der Hersteller des Produktes, also das als GmbH oder in sonstiger Form
gesellschaftsrechtlich organisierte Unternehmen oder der Einzel-Unternehmer.
• derjenige, der das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt herge-
stellt hat;
• derjenige, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke
oder eines anderen Kennzeichens als Hersteller ausgibt (sogenanntes
"Branding")',
• jeder Lieferant, wenn die Identität des Herstellers nicht feststellbar ist und
der Lieferant dem Geschädigten nicht die nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG vor-
geschriebene Auskunft über die Identität des Herstellers oder seines
Lieferanten erteilt.
Die Erweiterung der Haftung über den Hersteller des Produktes sowie der
Zulieferteile hinaus auf die sogenannten Quasi-Hersteller ist insbesondere re-
levant für Handelsketten und Versandhäuser, die für sich herstellen lassen und
das Produkt dann mit ihrem Markenzeichen oder ihrem Firmen-Logo als eige-
nes Produkt in den Markt einführen.
Als Lieferanten sieht das ProdHaftG jeden Beteiligten in der Vertriebskette vor,
sei es der Großhändler oder der Einzelhändler. Allerdings ist die Haftung bei
diesen Vertriebshändlern und Vertriebsgesellschaften beschränkt auf die Fälle,
in denen der Hersteller selbst nicht ermittelt werden kann und der Lieferant nach
Aufforderung durch den geschädigten Produktbenutzer den Hersteller nicht be-
nennt.
Der Umfang der Haftung ergibt sich aus §§ 7 bis 10 ProdHaftG. Danach wird
für Sachschäden nach dem Produkthaftungsgesetz in unbeschränkter Höhe
gehaftet.
Für Personenschäden, also der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit,
geht das Gesetz ebenfalls vom Prinzip der sogenannten Totalreparation aus,
also dem Ersatz sämtlicher (Vermögens-) Einbußen des Geschädigten. Dies
umfasst auch die Zahlung einer Geldrente für die Einschränkung oder den
Verlust der Erwerbsfähigkeit oder die Zahlung von Unterhaltsansprüchen an
Angehörige desjenigen, der durch ein fehlerhaftes Produkt getötet wurde.
Allerdings ist nach § 10 ProdHaftG die Haftung für Personenschäden auf einen
Höchstbetrag von € 85 Mio. begrenzt, wenn der Personenschaden durch ein
Produkt oder gleiche Produkte mit demselben Fehler verursacht wurde.
Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) umfasst die Mitgliedsstaaten der Eu ropäischen Union
(EU) sowie Island, Liechtenstein und Norwegen.
Qualitätssicherungsvereinbarung
Innenverhältnis:
Hersteller Verteilung der Haftung -
Zulieferer
Wirkung der QSV
Außenverhältnis:
Produkthaftung - keine
Wirkung der QSV
Händler I
Kunde
Verkäufer
Abb. 3: Qualitätssicherungs-
vereinbarungen
Qualitätssicherungsvereinbarung
Begrenzung der Haftung?
QSV
:: vertragliche Vereinbarung zwischen Hersteller und Zulieferer
---------------------------------- ----------------------------------
über
über
Verteilungvon Sicherungspflichten
Begrenzung der Haftung
und Haftungsanteilen
Abb. 4: Qualitätssicherungs-
vereinbarungen - Begrenzung
der Haftung?
Grenzen
Auch wenn viele Einzelheiten über die rechtliche Zu lässigkeit von Qualitätssi-
(
cherungsvereinbarungen im Zusammenhang mit der Produkthaftung noch in der
Diskussion sind, ist man sich weitgehend einig, dass Regelungen zur Verteilung
von Verkehrssicherungspflichten und Haftungsanteilen Grenzen unterliegen .
Diese Grenzen ergeben sich daraus, dass es sich bei Qualitätssicherungs-
vereinbarungen teilweise um standardisierte Klauselwerke, also sogenannte
Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Ein solches Klauselwerk unter-
liegt nach §§ 305 ff. BGB einer strengen Rechtskontrolle. Verstoßen einzelne
Klauseln gegen die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB, sind sie ersatzlos nichtig.
Angesichts der bislang noch unscharfen Konturen für die rechtliche Zulässigkeit
und Wirkung von Qualitätssicherungsvereinbarungen im Rahmen der
Produkthaftung bleibt den Akteuren des Produktionsprozesses allein, sich an
den skizzierten Grundgedanken zu orientieren oder die rechtlichen Klauseln der
Qualitätssicherungsvereinbarung auszuhandeln (im wörtlichen Sinn) und nicht
dem jeweiligen Vertragspartner als "Standard im Haus" zu diktieren. Werden die
Klauseln tatsächlich ausgehandelt, hat also der Vertragspartner gestaltenden
Einfluss auf ihren Inhalt, unterliegen die Klauseln nicht mehr der strengen
Rechtskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB . Der Gestaltungsspielraum für solche
Klauseln ist dann umso weiter.
• für den Rechtsrahmen, der in Bezug auf das Arbeitsrecht zu beachten ist.
Ist ein Produkt fehlerhaft und hat zu einem Schaden geführt, kann dem
Produktbenutzer ein Anspruch aus Produkthaftung, wie auch Ansprüche
auf Gewährleistung zustehen. Der Haftungsanspruch richtet sich gegen den
oder die Hersteller des Produktes, die Gewährleistungsansprüche gegen den
Verkäufer, von dem der Produktbenutzer die Sache erworben hat.
Gewährleistung
Hersteller Zulieferer
Produkthaftung
(
Händler I -------~~~:~~~------- Kunde
Verkäufer Gewährleistung
Abb. 5: Gewährleistung
L -_ _ _ _ Ge_W_ä_h,r~e-is-t-un~g~--~1 ~I (P_ro_d_u_~,~)-H-aft-u-n-g--~
____
'"::J
f
1
2 bzw. 5 Jahre
I
1
3Jahre
I
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'"Q;'
::J
U>
Abb. 6: Gewährleistung
und (Produkt-) Haftung-
Abgrenzung
Die Regelungen zur (Produkt-) Haftung haben zum Ziel, dem Erwerber dafür
eine Kompensation zu geben, dass aufgrund eines fehlerhaften Produktes an-
dere Rechtsgüter als das gelieferte Produkt selbst, also etwa der Körper oder
die Gesundheit eines Menschen oder eine andere Sache verletzt werden . Die
Regelungen zur Haftung schützen also das Interesse des Produktbenutzers da-
ran, dass seine anderen Rechtsgüter nicht verletzt werden, ihre Integrität nicht
beeinträchtigt wird (Integritätsinteresse).
Auf die Frage: "Wofür wird bei der Gewährleistung gehaftet?", erhält der
Produktbenutzer also eine andere Antwort als im Fall der (Produkt-) Haftung. Im
Fall der Gewährleistung wird - kurz gesagt - dafür "gehaftet", dass das Produkt
nicht das hält, was es verspricht.
Ein Mangel besteht gemäß § 434 Abs . 1 bzw. § 633 Abs. 2 BGB, wenn das
Produkt
• soweit die Beschaffenheit nicht vertraglich vereinbart ist - das Produkt sich
nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, oder
(
• wenn das Produkt sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und
nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und
vom Käufer/Besteller erwartet werden konnte.
Ob das Produkt einen Mangel aufweist oder nicht, ergibt sich also zunächst aus
der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern . Beide bestim-
men in ihrem Vertrag, welche Eigenschaften und welche Qualität das Produkt
haben soll. Werden größere (Industrie-) Anlagen hergestellt und geliefert oder
die Erstellung von individuellen Softwareprogrammen beauftragt, werden regel-
mäßig umfangreiche Lasten-/Pflichtenhefte von den Vertragsparteien erstellt,
um die Anforderungen, also letztlich die Qualität des Produktes zu definieren .
Auf der Grundlage dieser vertraglichen Vereinbarungen ergibt sich dann, ob
das Produkt - soweit es nach Auslieferung doch nicht die Erwartungen des
Abnehmers erfüllt - fehlerhaft im Sinn des Gewährleistungsrechts ist.
(
Beispiel:
In der Praxis sollte auf die Definition der Eigenschaften, letztlich also der
Qualität der Produkte, die Gegenstand des Kauf- oder Werkvertrages sind,
größte Sorgfalt gelegt werden. Die Vereinbarung der Qualitätskriterien er-
leichtert die Beantwortung der Frage, ob ein (Sach-) Mangel im Sinn des
Gewährleistungsrechts vorliegt und der Käufer bzw. der Besteller des Produktes
Beispiel:
• Schadensersatz.
hält, für die die strenge Rechtskontrolle nach dem AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB)
Anwendung findet.
"so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch
den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßen Geschäftsgange
tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem
Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen."
Werden individuelle Vereinbarungen über die Rügepflicht nach § 377 HGB getrof-
fen, sind diese in weitem Umfang zulässig . Der Umfang der Untersuchungspflicht,
die Frist innerhalb der gerügt werden muss oder auch der gänzliche Ausschluss
von § 377 HGB sind rechtlich zulässig.
Ob eine solche Modifikation von § 377 HGB, mit der Folge des Ausschlusses
von Gewährleistungsansprüchen, rechtlich wirksam vereinbart werden kann,
hängt - entsprechend der Ausführungen zu Qualitätssicherungsvereinbarungen
im Rahmen der Produkthaftung (vgl. Punkt 2.2.1) in erster Linie davon ab, ob es
sich um individuelle Vertragsklauseln oder standardisierte Klauseln handelt; die
Grundgedanken dieser Ausführungen gelten insoweit entsprechend. Im übrigen
ist dann in einem zweiten Schritt juristische Detailarbeit vorzunehmen.
Garantie
Wird für ein Produkt eine Garantie abgegeben, etwa vom Hersteller (= Herstel-
lergarantie), dann erhält der Erwerber des Produkts eine weitere rechtliche
Grundlage für die Geltendmachung von Ansprüchen, wenn sich während der
Garantiezeit herausstellt, dass das Produkt einen Mangel hat. Die Ansprüche
aus der Garantieerklärung treten also neben die vertragliche Gewährleistung.
Sie richten sich gegen den Garantiegeber - sei es der Hersteller, Importeur oder
Verkäufer. Der konkrete Inhalt und Umfang der Garantieansprüche richtet sich
nach dem Inhalt der Garantieerklärung. Garantiert also der Autohersteller für
seine Neuwagen ,,10 Jahre Garantie gegen Durchrostung", tritt der Garantiefall
nur im Fall der Durchrostung, nicht des Motorschadens ein. Welche Rechte dem
Erwerber zustehen sollen, kann der Garantiegeber frei bestimmen.
im deutschen Recht Grundlage der Produzenten haftung und sind auch nach
dem Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes heute noch weiterhin recht-
licher Rahmen für Produkthaftungsfälle.
Auch besteht eine Haftung für andere Sachen als das fehlerhafte Produkt selbst
soweit diese anderen Sachen gewerblich genutzt werden. Demgegenüber setzt
( § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG für einen Sachschaden voraus, dass die Sache
privat genutzt wird.
Andererseits wird eine Haftung nach § 823 BGB erst begründet, wenn dem
Hersteller ein Verschulden für den Produktfehler zur Last gelegt werden kann.
Das Produkthaftungsgesetz verlangt demgegenüber lediglich, dass - unabhän-
gig von jeglichem Verschulden - ein fehlerhaftes, potentiell gefährliches Produkt
in den Verkehr gebracht wird und deshalb ein Schaden entsteht.
Abb. 7: Gestaltungsspielraum
für vertragliche
Vereinbarungen
Wer fehlerhafte Produkte in den Verkehr bringt, kann sich strafbar machen,
wenn durch das fehlerhafte Produkt Rechtsgüter Dritter verletzt werden.
Produktverantwortung geht damit über den rein finanziellen Aspekt hinaus.
Im Blickpunkt steht dabei - neben Straftatbeständen vor allem aus dem soge-
nannten Nebenstrafrecht - insbesondere eine Strafbarkeit wegen
Nach deutschem Strafrecht kann grundsätzlich nur eine natürliche Person, also
ein Mensch, Täter sein. Das Unternehmen (als juristische Person) als solches
kann weder Täter sein, noch bestraft werden .
zu führen ist. Zu beachten ist dabei, dass es für die Strafbarkeit nicht auf den
Sitz des Unternehmens ankommt; es können also auch deutsche Unternehmen,
deren Produkte in Großbritannien vermarktet werden, von dieser Strafbarkeit
betroffen sein.
Soweit es um die Strafbarkeit nach deutschem Recht geht, also die strafrecht-
liche Verantwortlichkeit natürlicher Personen, wird auf die Ausführungen unter
nachfolgendem Punkt ,,2.3 Persönliche Haftungsrisiken für Geschäftsführung
und leitende Mitarbeiter" verwiesen.
Zum anderen wird für den Eintritt eines Produkthaftungsfalles in vielen Fällen
die Missachtung von Sorgfaltspflichten einzelner Mitarbeiter zugrunde liegen.
Neben der unmittelbaren Haftung gegenüber dem geschädigten Produktbenutzer
(vgl. nachfolgend ,,2.3 Persönliche Haftungsrisiken für Geschäftsführung und
leitende Mitarbeiter"), greifen besondere arbeitsrechtliche Haftungsregeln
für eine Haftung des Mitarbeiters gegenüber seinem Arbeitgeber. Diese vom
Bundesarbeitsgericht entwickelten Regelungen erlauben es dem produktverant-
wortlichen Hersteller als Arbeitgeber, gegenüber seinem Mitarbeiter Regress zu
nehmen für einen vom Hersteller dem geschädigten Produktbenutzer gezahlten
Schadensersatz.
Arbeitnehmerhaftung
Hersteller Arbeitnehmerhaftung
Mitarbeiter
(Arbeitgeber)
Produzenten-
haftung
Händlerl ------~~~~~~~~~------
Verkäufer Produzentenhaftung
Abb. 8: Arbeitnehmerhaftung
Wie weit der Schaden an den Mitarbeiter "weitergereicht" werden kann, hängt
in erster Linie von dem Grad des Verschuldens ab, ob also der Mitarbeiter
die Sorgfaltspflichten in grober oder nur einfacher Weise verletzt hat. Je
nach Verschuldensgrad und dem Bestehen weiterer Umstände, die für den
Schadenseintritt ursächlich waren, wird die Haftung des Mitarbeiters ganz aus-
geschlossen oder teilweise begrenzt auf bis zu drei Bruttomonatsgehältern.
Beispielfälle:
"Stop-Loss-Order"
Wertpapierhändler W arbeitet bei einer Bank und ist neben der allgemeinen
Beratung in Wertpapiergeschäften zuständig für die Annahme und Durchführung
von Aufträgen zum An- und Verkauf von Wertpapieren im elektronischen
Wertpapierhandelssystem der Bank. Werhält von seinem Kunden telefonisch
den Auftrag, 2000 Stück weitere Aktien eines bereits von ihm gehaltenen
Aktienpaketes zu kaufen sowie eine sogenannte Stop-Loss-Marke im elektro-
nischen Wertpapiersystem der Bank einzugeben. Aufgrund einer solchen Stop-
Loss-Marke werden die Aktien eines bestimmten Wertpapiers automatisch ver-
kauft, wenn der Aktienkurs unter die eingegebene Marke (Börsenwert) fällt.
W gibt zwar den Auftrag zum weiteren Ankauf der Aktienpapiere ein, nicht je-
doch den (technisch aufwendigeren) Auftrag zur Eingabe der Stop-Loss-Marke.
W will die Stop-Loss-Order erst am nächsten Tag, zusammen mit anderen
Aufträgen, im elektronischen Wertpapiersystem eingeben, weil er im Moment
vorrangig andere Arbeiten erledigen möchte. Das OM -Handbuch der Bank gibt
jedoch vor, dass sämtliche Aufträge von Kunden zum An- oder Verkauf, auch
die Eingabe von Stop-Loss-Marken, sofort von Mitarbeitern durchgeführt wer-
den müssen.
Die vom Kunden gezeichnete Aktie erfährt noch am sei ben Tag einen Kursverfall
und unterschreitet die vom Kunden an W gegebene Marke. Als die Aktien von
W am nächsten Tag zum erheblich unter der Marke liegenden Börsenwert ver-
kauft werden, realisiert sich für den Kunden ein finanzieller Schaden von ca.
€ 300.000,00.
"Getriebebrand"
In bei den Beispielsfällen handelt der Mitarbeiter jeweils grob fahrlässig, als er
seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Der Wertpapierhändler W hat
für die Ausführung seiner Dienstleistung das QM-Handbuch seines Arbeitgebers
und die darin enthaltenen Vorgaben zu beachten . Für den Mitarbeiter M hätte,
wie jedem Arbeitnehmer, offensichtlich sein müssen, dass niemand mit 1,5%0
Blutalkohol eine sorgfältige Qualitätskontrolle durchführen kann.
Der Umfang der Haftung von Wund M gegenüber ihrem Arbeitgeber bestimmt
sich in der Folge danach, inwieweit die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers
oder das Verhalten anderer Mitarbeiter zur Schadensverursachung beigetragen
haben.
• Haftet das Unternehmen für ein fehlerhaftes Produkt oder eine fehlerhafte
Dienstleistung , so kann der verantwortliche Mitarbeiter vom Unternehmen
als Arbeitgeber grundsätzlich aus Arbeitnehmerhaftung in Regress genom-
men werden. Entscheidend ist dabei vorwiegend der Grad des Verschuldens
des Mitarbeiters.
1 1 1
• gegenübergeschädigten • gegenüber Staat • gegenüber Arbeitgeber
Produktbenutzern • wegen u. a. Tötung, • wegen Verletzung von
• wegen Verletzung von Körperverletzung oder Organisations-lKontroll-l
Organisations·IKontroU·1 Sachbeschädigung sonstiger Pflichten im
sonstigerVerkehrssiche- • Praxis häufig: Geldstrafe, Arbeitsverhältnis
rungspflichten Bußgeld • wenn mehr als leichte
• wenn Vorsatz oder Fahrlässigkeit
Fahrlässigkeit • in der Regel max. 3 Brutto-
• Grundsätzlich Monatsgehälter
unbeschränkt
Abb. 9: Persönliche
Haftungsrisiken
Beispielsfälle
"Glycol"
"Eschede"
Im Fall des ICE-Zugunglücks von Eschede 1998 waren 101 Menschen ums
Leben gekommen. Angeklagt waren unter anderem zwei Ingenieure des
• Die Mitglieder der Unternehmensführung und die für den Schaden verant-
wortlichen Mitarbeiter können strafrechtlich in Anspruch genommen werden .
Die vorstehenden Ausführungen betrafen die Frage, womit der Hersteller und
gegebenenfalls seine Mitarbeiter rechnen müssen, wenn sie ein fehlerhaftes
Produkt in den Verkehr einführen und durch das fehlerhafte Produkt ein Schaden
entsteht. Es ging um die Frage, ob und in welchem Umfang ihnen gegenüber
Gewährleistungsrechte oder Haftungsansprüche auf Schadensersatz geltend
gemacht werden können oder gar eine strafrechtliche Verantwortung besteht.
Die für das Qualitätsmanagement zentrale Frage ist jedoch, wann diese zivil-
rechtliche und strafrechtliche Haftung eintritt, wann also ein Produkt "fehler-
haft" ist oder wann der Hersteller eine "widerrechtliche Handlung" im Sinn des
§ 823 BGB begeht, die die Produzentenhaftung auslöst. Es geht um die Frage,
welche Anforderungen das Gesetz und insbesondere die Rechtsprechung
an die Qualität von Produkten stellt, damit zivilrechtliche und strafrechtliche
Konsequenzen weitgehend ausgeschlossen werden können.
(
Diese Anforderungen wurden von der Rechtsprechung insbesondere zur de-
liktischen Haftung nach § 823 BGB und - nach seinem Inkrafttreten - auch
zum Produkthaftungsgesetz entwickelt. Die Rechtsprechung hat dabei für die
verschiedenen Phasen des Herstellungs- und Vertriebsprozesses Verkehrssi-
cherungspftichten herausgearbeitet. Das Ziel dieser Pflichten ist es, Gefahren
für den Verkehr mit den Produkten auszuschließen. Der Gesetzgeber hat dane-
ben mit dem Erlass des Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) diesen
Pftichtenkreis weiter konkretisiert und als zwingende, behördlich kontrollierbare
Sicherheitsanforderungen festgeschrieben .
-------------
Verkehrssicherungspflichten
Verkehrssicherungspflichten gemäß der zivilrechtlichen Rechtsprechung
Sicherungspflichten
I I
( Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik
Nach § 823 BGB haftet der Hersteller, wenn er im Rahmen der Fertigung oder
Vermarktung seines Produktes eine Pftichtwidrigkeit begangen, etwa eine
Qualitätsprüfung vor Warenausgang nicht vorgenommen hat. Er missachtet ei-
ne Verkehrssicherungspfticht, die im Interesse der Qualität des Produktes steht.
Maßstab dafür, welche Pflichten im Interesse eines Produktes stehen, ist nach
der Rechtsprechung der Erwartungshorizont des Verbrauchers, also das, was
der durchschnittliche Verbraucher berechtigterweise von dem Produkt erwarten
darf.
Davon geht auch die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz aus. § 3 Abs. 1
ProdHaftG bestimmt:
".... Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet,
die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere
a) seiner Darbietung,
b) des Gebrauchs mit dem billiger Weise gerechnet werden kann,
c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde,
berechtigterweise erwartet werden kann ...."
3.1.1 Konstruktionsfehler
Konstruktionsfehler betreffen den Bauplan des Produkts, wirken sich in der Regel
also auf die gesamte Produktlinie aus, unabhängig von einzelnen Chargen.
Konstruktionsfehler lassen sich also nur in der dem Produktionsprozess vorge-
lagerten Planungs- und Entwicklungsphase vermeiden.
Der Hersteller kann Fehler in der Konstruktion nicht durch etwaige Warnhinweise
bei der späteren Verwendung des Produktes ausgleichen wollen. Ferner erstre-
cken sich die Konstruktionspftichten auch auf die dem Hersteller zugelieferten
Teilprodukte, die er für seine Produktion verwendet. Zwar ist der Hersteller nicht
für die sicherheitsgerechte Konstruktion des Zulieferteils selbst verantwort-
lich, allerdings obliegen ihm (Verkehrs-) Sicherungspflichten dahin, dass das
Zulieferteil den Anforderungen genügt, die für die Sicherheit des Endprodukts
erforderlich sind. Der Hersteller muss zudem sicherstellen, dass das Zulieferteil
nach Einbau oder im Zusammenwirken mit anderen Bestandteilen des
Endprodukts keine vermeidbaren Gefahren birgt.
Soweit der Hersteller die für ihn gelieferten Teilprodukte speziell nach seinen
Vorgaben entwickeln und herstellen lässt, treffen ihn intensivere Kontrollpflichten .
Beispiel:
"Lenkerverkleidung (Honda)"
Der BGH stellte ausdrücklich fest, dass eine Prüfpflicht des Herstellers be-
reits in der Konstruktionsphase des Motorrades dafür besteht, welche
Auswirkungen von Zubehörteilen für von ihm selbst nicht empfohlenes Zubehör
besteht. Der Hersteller hat eine Prüfpflicht hinsichtlich sämtlichen Zubehörs,
dessen Verwendung so allgemein gebräuchlich ist, das bei einer etwaigen
Unverträglichkeit ein risikoloser Einsatz des eigenen Produkts nicht mehr mög-
lich ist.
3.1.2 Fabrikationsfehler
Ein Fabrikationsfehler besteht, wenn zwar der Bauplan des Produktes das er-
forderliche Sicherheitsniveau einhält, es jedoch im Produktionsprozess zu einer
planwidrigen Abweichung dieses Sicherheitsniveaus kommt. Fabrikationsfehler
betreffen damit in der Regel nur einzelne Stücke einer Serie oder Charge.
Fabrikationsfehler lassen sich daher in der Regel vermeiden, wenn entweder
der Produktionsprozess dahingehend optimiert wird, dass Abweichungen von
dem definierten Sicherheitsniveau von vornherein ausgeschlossen oder die fer-
tigen Stücke nach ihrer Produktion einer Qualitätskontrolle unterzogen werden.
Auch für den eigentlichen Produktionsprozess hat der Hersteller in der Regel
die Wahl, ob er eine Qualitätskontrolle auf den eigentlichen Produktionsprozess
beschränkt oder die fertigen Produkte einer Warenausgangskontrolle ("am
Werkstor") unterzieht. In bei den Fällen gilt für die Qualitätskontrolle, dass auch
hier je nach den technischen Möglichkeiten, der Schwere und dem Umfang des
drohenden Schadens sowie der (finanziellen) Zumutbarkeit der Maßnahmen des
Herstellers, seine Qualitätskontrolle unterschiedlich intensiv ausfallen muss.
Vereinzelt genügt eine einfache Sichtkontrolle, in anderen Fallgestaltungen ei-
ne technische Untersuchung des Produktes bis hin zur fortlaufenden Kontrolle
während des Produktionsprozesses.
Beispiel:
"Schubstrebe"
Für Ausreißer, also für Fabrikationsfehler, die trotz aller zumutbarer Vorkehrungen
unvermeidbar sind, haftet der Hersteller nach § 823 BGB (Produzentenhaftung)
nicht. Ihm kann ein Verschulden nicht zur Last gelegt werden.
3.1.3 Instruktionsfehler
"ESTIEL"
"Kindertee"
Der BHG stellte dazu fest, dass Warn hinweise vor den in dem Produkt liegen-
den Gesundheitsgefahren so deutlich erfolgen müssen, dass die Gefahren für
den Produktverwender erkennbar sind. Die Warnhinweise dürfen darüber hi-
naus nicht in allgemeinen Verwendungshinweisen enthalten sein, sondern sind
drucktechnisch hervorzuheben und zusammen mit einer Folgenwarnung zu
verbinden, welche Gesundheitsrisiken bei Nichtbeachtung drohen.
3.1.4 Produktbeobachtung
Aktive Produktbeobachtung
Während der Hersteller - je nach den Umständen des konkreten Falles - zur
Änderung der Konstruktion und zu weiteren Warn hinweisen im Rahmen der
Instruktionspfiicht verpfiichtet ist, ist unter Juristen nach wie vor umstritten, ob
der Hersteller grundsätzlich auch zum Rückruf - insbesondere auf seine eigenen
Kosten - verpflichtet ist oder nicht. Allerdings sollte von Seiten des Herstellers
beachtet werden , dass ein Rückruf als präventive Maßnahme angezeigt ist, um
mögliche finanzielle Risiken aufgrund des Eintretens einer Produkthaftung im
Vorfeld zu vermeiden.
Beim Rückruf bestehen generell zwei Formen. Zum einen der stille Rückruf, der
ohne Nutzung der Medien in der Regel ausreichend ist, wenn allein durch die
Kontaktaufnahme mit dem Vertriebspartner sowie den namentlich bekannten
Erwerbern des Produktes sichergestellt werden kann, dass die Gefahr, die
durch das Produkt entsteht, sicher ausgeschaltet wird. Ist eine solche stille
Passive Produktbeobachtung
Die für Deutschland zentralen Vorschriften für diesen Bereich des Produktsi-
cherheitsrechtes sind im Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) vom
01.05.2004 normiert. Dieses Gesetz geht - ähnlich wie das ProdHaftG - auf
eine europäische Richtlinie (Richtlinie 2001/95/EG vom 03.12.2001) über
die allgemeine Produktsicherheit zurück. Damit sind auch die wesentlichen
Inhalte des GPSG innerhalb der Europäischen Union weitgehend ähnlich
ausgestaltet. Darüber hinaus wurden auch in den meisten für Deutschland
relevanten Exportstaaten außerhalb der Europäischen Union ähnliche
Sicherheitsvorschriften erlassen, wie sie das GPSG vorsieht.
Das GPSG gilt für das In-Verkehr-Bringen von Produkten, wie es in § 2 Abs. 8
GPSG beschrieben ist:
Mit dem Begriff "jedes Überlassen an einen anderen" ist genau das gemeint,
wie es geschrieben ist: Jeder Wechsel des Produkts aus der Herstellersphäre
in die Sphäre einer anderen Person hat zur Folge, dass das GPSG eingreift. Im
Unterschied zum ProdHaftG kommt es dabei nicht darauf an, ob das Produkt
vom Erwerber für den privaten Ge-lVerbrauch bestimmt ist oder verwendet wird.
(
"In-Verkehr-Bringen" nach dem GPSG meint also schlichtweg jeden Wechsel
des Produktes von einer Sphäre in eine andere Sphäre.
Ein Produkt nach dem GPSG kann entweder ein technisches Arbeitsmittel
oder ein Verbraucherprodukt sein (§ 2 Abs. 1 GPSG). Das bedeutet, dass
das GPSG nicht nur dann einschlägig ist, wenn Gebrauchsgegenstände und
sonstige Produkte, die für den Verbraucher bestimmt oder von ihm unter ver-
nünftigerweise vorhersehbareren Bedingungen benutzt werden können, in
den Verkehr gebracht werden, sondern auch dann, wenn verwendungsferti-
ge Arbeitseinrichtungen von der Sphäre des Herstellers in die Sphäre eines
anderen Unternehmers gebracht werden . Gleichgültig, ob es sich um eine
Papierwalze, eine Druckmaschine oder eine Lackierstraße handelt; in all diesen
Fällen kann das GPSG einschlägig sein.
Dienstleistungen sind vom GPSG nicht erfasst und wurden bereits aus der EG-
Produktsicherheitsrichtlinie (2001/95/EG) bewusst ausgeklammert. Dem GPSG
(
vergleichbare gesetzliche Vorschriften für Dienstleistungen - also ein "öffent-
liches Dienstleistungsrecht" - bestehen derzeit ebenfalls nicht.
Wann ein Produkt "zulässig " ist nach § 4 GPSG, beurteilt sich wie folgt:
Nach Abs. 1 dieser Vorschrift gilt für Produkte, für die eine Rechtsverordnung
nach § 3 Abs. 1GPSG existiert, dass das jeweilige Produkt die Anforderungen der
einschlägigen Rechtsverordnung erfüllen muss. Bei diesen Rechtsverordnungen
handelt es sich beispielsweise um
Entspricht also etwa das vom Hersteller produzierte Spielzeug auto den
Anforderungen, wie sie in der Spielzeugverordnung (2. GPSGV) beschrieben
sind, ist das Spielzeugauto ein "zulässiges" Produkt nach dem GPSG.
Soweit für das Produkt keine Verordnung nach § 3 Abs. 1 GPSG besteht, beur-
teilt sich seine "Zulässigkeit" nach § 4 Abs. 2 GPSG . Danach darf das Produkt in
Verkehr gebracht werden, wenn es - im Sinn einer allgemeinen Formel- so be-
schaffen ist, dass Sicherheit und Gesundheit von Verwendern oder Dritten nicht
gefährdet werden. Bei der Beurteilung, ob ein Produkt diesen Anforderungen
genügt oder nicht, sind sämtliche Umstände zu berücksichtigen, wie sie bereits
von der Rechtsprechung für die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz für
maßgeblich erachtet wurden:
( • die Eigenschaften des Produkts einschließlich seiner Zusammensetzung,
Verpackung , der Anleitung für seinen Zusammenbau, der Installation, der
Wartung und der Gebrauchsdauer;
• die Einwirkung auf andere Produkte, soweit die Verwendung mit anderen
Produkten zu erwarten ist;
• die Gruppe von Verwendern, die bei der Verwendung des Produkts einer
größeren Gefahr ausgesetzt sind als andere.
In der Praxis bedeutet dies, dass der Hersteller eine Eigenbewertung zunächst
aufgrund der jeweils einschlägigen Rechtsverordnung (§ 4 Abs. 1 GPSG) vor-
nimmt und - soweit keine solche Rechtsverordnung für das relevante Produkt
(
besteht - der Maßstab für die Sicherheitskonformität auf Basis der allgemeinen
Formel des § 4 Abs. 2 GPSG vornehmen muss.
Ein Produkt ist nach § 4 Abs. 1 oder 2 GPSG für den Warenvertrieb zuläs-
sig, wenn die Sicherheitserwartungen des potentiellen Adressatenkreises er-
füllt werden. Beide Normen des GPSG stellen darauf ab, dass das Produkt
die "bei bestimmungsgemäßer Verwendung oder bei der vorhersehbaren
Fehlanwendung" mögliche Gefährdung ausschließt. Nach § 2 Abs. 6 GPSG ist
die "vorhersehbare Fehlanwendung" definiert als die
Die behördliche Überwachung erstreckt sich also auch auf solche Produkte, die
zu einer vorhersehbaren Fehlanwendung führen können . Bewusster Missbrauch
ist, wie auch im Rahmen der Produkt- und Produzentenhaftung, ausgeschlos-
sen. Zur Vermeidung behördlicher Maßnahmen ist daher für den Hersteller ent-
scheidend, dass er die hausinterne Kommunikation in das Qualitätsmanagement
einbindet. Meldungen aus dem Markt, insbesondere Beschwerden von Kunden,
müssen darauf gesichtet und bewertet werden, welche Fehlverhaltensweisen mit
dem Produkt vorgenommen werden um erforderliche Konsequenzen für etwa
die Darbietung und Aufmachung im Handel oder den Umfang der Warnhinweise
oder die Gestaltung der Verpackung zu treffen .
Zunächst besteht die Pflicht zur Hersteller- und Produktinformation auf dem
Produkt selbst oder der Verpackung des Produktes. Der Hersteller oder
Importeur muss seinen Namen und seine Adresse auf dem Produkt bzw. auf der
Verpackung anbringen und das Verbraucherprodukt so kennzeichnen, dass es
eindeutig identifiziert werden kann. Im juristischen Schrifttum wird überwiegend
vertreten, dass die Angabe einer Internet-Adresse diese Voraussetzungen nicht
erfüllt, gemeint sei vielmehr die postalische Anschrift. Anliegen des Gesetzgebers
an dieser Stelle ist die Rückverfolgbarkeit des Verbraucherproduktes.
Auch wenn das Gesetz nach seinem Wortlaut nur von "Vorkehrungen" spricht,
wird damit in der Sache verlangt, dass ein System "für den Ernstfall" vorgehal-
ten wird, also ein Rückrufmanagement existiert, das geeignet ist, auftretende
Gefahren für den Verbraucher wirksam zu bekämpfen . Das Bestehen eines sol-
chen Rückrufmanagements unterliegt, ebenso wie die Einhaltung der Pflichten
nach § 4 GPSG, der staatlichen Kontrolle.
Schließlich sind die Hersteller nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 GPSG verpflichtet, ei-
ne "Nachmarkt"-Kontrolle durchzuführen. Das GPSG beschreibt die-
se Kontrolle beispielhaft mit der Durchführung gebotener Stichproben,
der Prüfung von Beschwerden und der Führung eines Beschwerdebuchs/
Beschwerdemanagements.
Behörden sind danach befugt, etwa das Anbringen von verständlichen oder
ausführlicheren Warnhinweisen anzuordnen oder vorübergehend das weitere
In-Verkehr-Bringen eines Produktes für eine begrenzte Zeit zu verbieten.
Ferner kann die Behörde den Rückruf eines Produktes gegenüber dem Hersteller
anordnen oder - soweit andere wirksame Maßnahmen nicht rechtzeitig greifen
- selbst an die Öffentlichkeit gehen und vor dem Produkt warnen.
Sämtliche dieser Maßnahmen stehen nach § 8 Abs . 4 GPSG unter dem Vorbehalt,
dass der Hersteller selbst nicht hinreichend tätig wird und Eigenmaßnahmen er-
greift, wie sie vom GPSG gefordert sind.
(
3.2.5 CE-Kennzeichnung und GS-Zeichen
Nach § 7 Abs. 1 GPSG sind Prüfmaßstab für das GS-Zeichen zum einen die
Anforderungen nach § 4 GPSG ("zulässiges Produkt") sowie darüber hinaus an-
derer dort genannter Vorschriften hinsichtlich der Gewährleistung von Sicherheit
und Gesundheit von Produkten, wie etwa hygiene- oder lärmrechtliche gesetz-
liche Vorgaben.
• Erfüllt das Produkt nicht diese Anforderungen nach dem GPSG, darf es juri-
stisch gesehen nicht in den Verkehr gebracht werden.
• Erfüllt der Hersteller die Pflichten nach dem GPSG nicht, können behörd-
liche Maßnahmen gegenüber dem Hersteller getroffen werden, bis hin zum
Verbot des In-Verkehr-Bringens des Produktes oder der zwangsweisen
Anordnung für einen Produktrückruf.
• Die CE-Kennzeichnung und das GS-Zeichen sind Kennzeichen für den er-
folgreichen Abschluss eines Konformitätsbewertungsverfahrens, dass ein
Produkt den europarechtlichen bzw. deutschen gesetzlichen Vorgaben ent-
spricht. Diese Kennzeichen dienen - neben dem Marketing gegenüber dem
Verbraucher - in erster Linie dem Konformitätsnachweis gegenüber staatli-
chen Stellen.
Im Zuge der Globalisierung und der nach wie vor anhaltenden Entwicklung
des Exports deutscher Produkte treten immer mehr grenzüberschreiten-
de Produkthaftungsfälle auf. Hersteller, Zulieferer, Vertriebspartner und
Produktverwender können ihren Wohnort bzw. ihren Sitz in verschiedenen
Staaten haben. Zwar sind innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU viele
Regelungen über die Produkthaftung sowie der gesetzlichen Vorgaben für die
Sicherheit von Produkten harmonisiert, also angepasst, nachdem die entspre-
chenden Rechtsvorschriften auf EG-Richtlinien zurückzuführen sind. Dennoch
gibt es sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union erhebliche
Unterschiede zwischen den Haftungssystemen der Produktverantwortung. Es
stellt sich damit nicht nur die Frage, welches Recht auf einen Produkthaftungsfall
( anwendbar ist, sondern auch, ob und in welchem Umfang im Zweifel gegen den
deutschen Hersteller gerichtlich vorgegangen werden kann.
Wird also das Produkt des deutschen Herstellers in Spanien vertrieben und
(
von einem in Spanien ansässigen Verbraucher erworben, der einen Schaden
erleidet, so ist spanisches Produkthaftungsrecht anzuwenden.
Für Ansprüche auf Gewährleistung oder Garantie ist entweder das von den
Vertragspartnern frei gewählte Recht oder - mangels Rechtswahl - das Recht
desjenigen Staates anwendbar, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat.
Ergeht ein Urteil zu Lasten des deutschen Herstellers durch ein deutsches
Gericht, ist dieses Urteil ohne weiteres innerhalb Deutschlands vollstreckungs-
fäh ig.
Ein deutscher Hersteller kann jedoch auch vor einem ausländischen Gericht
verklagt und verurteilt werden . Diese sogenannte Gerichtszuständigkeit ist völlig
unabhängig davon, welches Recht auf den Produkthaftungsfall anwendbar ist.
Wird der deutsche Hersteller vom ausländischen Gericht zum Schadensersatz
verurteilt und weigert sich zu zahlen, kann dieses Urteil im Gerichtsstaat voll-
streckt werden , sofern der deutsche Hersteller dort Vermögen (Bankkonten,
Betriebsstätte usw.) hat.
Der deutsche Hersteller muss nicht nur damit rechnen, dass ein
Produkthaftungsfall wegen eines Produktfehlers nach ausländischem Recht
beurteilt wird.
Vor dem Eintritt in den internationalen oder gar weltweiten Vertrieb von
Produkten sollte daher zumindest eine Grundkenntnis der Produkthaftung der
jeweiligen Märkte bestehen.
(
4.2 Aktuelle Aspekte der Produkthaftung
Für Maschinen und Anlagen werden ab Ende 2009 teilweise neue Regelungen
für das In-Verkehr-Bringen gelten. Die zugrunde liegende neue EG-
( Maschinenrichtlinie (Richtlinie 2006/42/EG vom 17.05.2006) ändert inhaltlich
die 9. GPSG-Verordnung. Diese Änderung tritt jedoch erst zum 29.12.2009 in
Kraft.