MODUL 5 Stimmungsstoerungen
MODUL 5 Stimmungsstoerungen
ADHS
ADHS im Erwachsenenalter
Stimmungs-
störungen
03 Vorwort
06 Ausbildung / Beruf
08 Freizeit / Freunde / Hobbys
10 Familie / Partnerschaft / Haushalt
12 Ausbildung / Beruf
13 Freizeit / Freunde / Hobbys
13 Familie / Partnerschaft / Haushalt
16 Ausbildung / Beruf
18 Freizeit / Freunde / Hobbys
19 Familie / Partnerschaft / Haushalt
20 Medikamentöse Therapie
21 Psychoedukation (Information und Beratung)
21 Psychotherapie
22 Nützliches
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Ihre Ärztin oder Ihr Arzt hat bei Ihnen eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-
Störung (ADHS) diagnostiziert, nachdem sie / er sich ausführlich mit Ihnen unterhalten
und diagnostische Tests durchgeführt hat.
Die Diagnose ADHS wird in der Öffentlichkeit zumeist als Erkrankung bei Kindern und
Jugendlichen dargestellt. Aber anders als oft angenommen, ist ADHS keine Störung,
die „sich schon auswächst“: Man geht davon aus, dass ungefähr die Hälfte der Kinder
mit ADHS auch als Erwachsene unter den Beeinträchtigungen leiden. Da man gerade
in den letzten Jahren viel Neues über ADHS gelernt hat und damit auch bessere
diagnostische Möglichkeiten entwickeln konnte, gibt es heute viele Patienten,
bei denen die Diagnose erst im Erwachsenenalter gestellt wird.
Auf den folgenden Seiten erfahren Sie mehr darüber, was typische Anzeichen und
Ausprägungen von Stimmungsstörungen sind, wie Sie mit ihnen umgehen können
und was Sie bzw. Ihr Arzt dagegen tun können.
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1 Affektlabilität / Launenhaftigkeit
und Verstimmbarkeit
„Meine Freunde sagen, dass ich launisch bin. Meine Stimmung kippt
schnell und für sie nicht immer vorhersehbar.“
„Meine Leistungsfähigkeit hängt von meiner Stimmung ab. Wenn ich
schlecht drauf bin, kann ich mich noch schlechter konzentrieren.“
2 Gestörte Affektkontrolle
„Wenn ich kritisiert werde, raste ich schnell aus. Ich kann meinen
Ärger kaum zügeln. Vor allem dann, wenn ich die Kritik als
unangemessen empfinde.“
„Ich werde schnell ungeduldig und brülle los. Nicht handgreiflich
zu werden, kostet mich manchmal viel Kraft.“
3 Emotionale Überreagibilität /
Stressanfälligkeit
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Hat Ihr Verhalten, das häufige Umschlagen Ihrer Stimmung, Ihre Empfindlichkeit erst
einmal zu ernsthaften oder anhaltenden Problemen geführt, beeinflusst das (dauer-
haft) Ihr Berufs- und Privatleben. Denn viele Menschen gehen unberechenbaren, leicht
aufbrausenden oder „überempfindlichen“ Kollegen, Freunden oder Familienmit-
gliedern lieber aus dem Weg. Oder Ihr Verhalten hat andere negative Konsequenzen.
Ausbildung / Beruf
Wenn Sie sich schnell langweilen, Ihre Leistungsfähigkeit stimmungsabhängig ist und
Sie bei schlechter Stimmung nicht mehr konzentriert sind, wirkt sich das negativ auf Ihre
Arbeit aus. Die wenigsten Menschen können sich aussuchen, welche Aufgaben sie zu
welcher Zeit (und in welcher Stimmung) ausführen. Ihre Arbeitskollegen und zumindest
Ihre Vorgesetzten erwarten dagegen konstant gute Arbeit und nicht nur, wenn Sie „gut
drauf“ oder gerade interessiert dabei sind – ein Feld, das Konflikte bergen kann.
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Es gehört zum Arbeitsleben dazu, dass man von Zeit zu Zeit kritisiert wird: Arbeits-
kollegen, mit denen Sie zusammenarbeiten, fühlen sich durch Ihr Verhalten und / oder
Ihre Arbeit beeinträchtigt. Oder der / die Vorgesetzte hat Verbesserungstipps für Sie
(im günstigeren Fall) oder äußert tatsächlich negative Kritik. Wenn Sie dann schnell
ausrasten und sich nicht zügeln können, hat das mitunter unangenehme Konse-
quenzen. Dann interessiert es oft nicht, ob die Kritik in Ihren Augen bzw. Ohren be-
rechtigt oder angemessen war. Im (Arbeits-)Leben ist es langfristig sinnvoll, bestimmte
(Umgangs-)Formen einzuhalten.
In der Arbeitswelt passieren häufig viele Dinge schnell nacheinander, wenn nicht
gleichzeitig – und dann kommt oft noch ungeplant eine eilige Aufgabe hinzu. Oder es
steht ein Kollege in der Tür und möchte den aktuellsten Flurfunk mit Ihnen be-
sprechen. Wenn Sie durch Kleinigkeiten schnell abgelenkt sind oder aus dem Konzept
geraten, sich entsprechend schnell gestresst fühlen, leiden sowohl Ihre Leistungsfähig-
keit als auch Ihre Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Dies erhöht wiederum den Druck und
steigert den empfundenen Stress. Aus der daraus entstehenden Frustration – in Ver-
bindung mit einem aufbrausenden Temperament – wächst die Versuchung, einfach
„alles hinzuschmeißen“. Oder aber es wird Ihnen schließlich gekündigt.
Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind unter den von ADHS Betroffenen besonders
viele Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung und Menschen ohne Arbeit. Das führt
auf dem Arbeitsmarkt zu Problemen und die Betroffenen üben oft nicht die Tätigkeiten
aus, die sie von ihren Fähigkeiten her eigentlich ausfüllen könnten.
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Die Freizeit dient dem Ausgleich vom Stress des Arbeitsalltags. Da sind Hobbys und
Treffen im Freundeskreis sehr hilfreich. Aber auch hier kann es aufgrund der typi-
schen Empfindungen und Verhaltensweisen zu Unstimmigkeiten mit Ihrem Gegen-
über kommen.
Wenn Ihre Stimmung nicht verlässlich ist und Sie launisch sind, werden Sie für Freunde
unberechenbar. Auf Dauer belastet das Beziehungen und Ihr Gegenüber zieht sich
wahrscheinlich zurück. Eigentlich trifft man ja Freunde, weil man sie mag und / oder
weil man Interessen miteinander teilt. Wenn Ihre Laune dann schnell – aus geringem
Anlass – kippt, verlieren die, die das ausbaden müssen, die Freude an gemeinsamen
Aktivitäten.
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Ähnlich verhält es sich, wenn Sie Menschen anschreien oder einfach stehen lassen, weil
Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Im Umgang mit anderen Teilnehmern im Straßen-
verkehr kann Ihr gereiztes Verhalten sogar gefährlich und teuer werden. Im Freundes-
kreis sind Sie auf diese Weise nicht lange ein gern gesehener „Mitspieler“. Wer möchte
schon der Blitzableiter sein, wenn Ihnen plötzlich „eine Laus über die Leber läuft“.
Solches Verhalten kann dazu führen, dass Sie gemieden werden.
Wenn Sie von Eindrücken oder Gefühlen überwältigt werden, müssen andere Dinge
warten, Aufgaben bleiben eventuell liegen. Wenn Sie sich z. B. im Supermarkt über-
wältigt fühlen, werden Sie alles tun, um schnell wieder rauszukommen. Wenn Sie
dann nicht akribisch eine Einkaufsliste abarbeiten, fehlt wahrscheinlich ein Teil der
notwendigen Einkäufe. Schließlich gehen Sie gar nicht mehr einkaufen – aus Angst,
dass alles für Sie zu viel ist. So verlieren Sie auf Dauer den Anschluss.
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Wer kommt Ihnen näher als Ihre Familie? Und wer bekommt mehr von Ihren Gefühlen,
Einstellungen und Stimmungen mit? Vielleicht haben Sie zu Hause gar nicht mehr die
Kraft, Ihre Stimmung(swechsel), Ihre schnelle Gereiztheit oder Ihre Empfindsamkeit zu
verbergen, und Ihre Familie bekommt alles ungefiltert mit und ab. Das heißt, Ihre
Beeinträchtigungen übertragen sich auf die, die mit Ihnen zusammenleben.
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Auch die Menschen, mit denen Sie zusammenleben, haben Bedürfnisse und Gefühle.
Wenn sie sich aber immer auf Sie und Ihre schnellen Stimmungsumschwünge einstellen
müssen, wird Ihre Partnerschaft auf längere Sicht anstrengend und einseitig.
Ihre Wut und Gereiztheit an Ihren Lieben auszulassen, beeinträchtigt Ihre Beziehungen.
Gerade (aber nicht nur) Kinder brauchen ein berechenbares und wohlwollendes Ver-
halten, um Vertrauen aufbauen zu können.
Wenn Sie aber die Wünsche, Geräusche oder gar Anwesenheit anderer Menschen als
anstrengend oder belästigend empfinden, wird es schwer für Sie und Ihre Familie,
partnerschaftlich miteinander umzugehen. Denn eigentlich müssten Ihnen ja alle aus
dem Weg gehen, um Sie nicht zu bedrängen.
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Anders als die negativen Aspekte sind mögliche positive Sichtweisen oder
Effekte den Betroffenen und ihrer Umgebung meistens gar nicht bewusst
– oder sie werden nicht als solche wahrgenommen. Deshalb möchten wir
im folgenden Abschnitt einige positive Effekte und Auswirkungen dieser
ADHS-assoziierten Eigenschaften anführen.
Vielleicht können Sie die Auflistung noch durch eigene positive Beispiele
ergänzen und erweitern:
Ausbildung / Beruf
Das Wahrnehmen und deutliche Erleben von Gefühlen und Stimmungen wirkt sich
natürlich auch positiv aus. Wenn Sie Ihre gute Stimmung dazu einsetzen, andere
aufzurichten oder anzuregen, profitiert das ganze Team davon – was ganz im Sinne
Ihres/Ihrer Vorgesetzten ist. Teamarbeit nimmt in der heutigen Arbeitswelt immer
mehr Raum ein und Menschen, die gut und gerne in und für Teams arbeiten, werden
daher immer wichtiger.
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Setzen Sie auch für Ihren Freundeskreis Ihren Elan, Ihre Offenheit und Ihre positive
Stimmung ein. So haben Sie alle eine gute Zeit miteinander und stärken dadurch Ihr
Zusammengehörigkeitsgefühl. Durch Ihr Gespür entgeht Ihnen so schnell nichts und
Ihr offenes Ohr macht Sie zu einem / einer wertvollen Freund / Freundin.
Ihr Gespür für Einflüsse lässt Sie auch wahrnehmen, wenn andere Menschen Probleme
haben oder sich schlecht fühlen. Das ist wichtig in (nahen) Beziehungen. Wenn Sie
darauf einfühlsam reagieren können – und das liegt gefühlsgesteuerten Menschen
oft sehr – schafft das ein vertrauensvolles und starkes Verhältnis.
Ihr unmittelbares Erleben von Gefühlen macht Sie zu einem offenen, ehrlichen und
authentischen Wesen. Sich zu verstellen, fällt Ihnen schwer. Ihre Empfindsamkeit stärkt
zudem Ihr Bauchgefühl, das ein guter Ratgeber sein kann, wenn Sie sich von ihm nicht
ganz mitreißen lassen.
Wenn Sie sich einmal wieder Ihre ebenfalls vorhandenen Stärken und die sich daraus
ergebenden Chancen bewusst machen und sich selber unter diesem Blickwinkel be-
trachten, hilft das, Ihrem Umfeld die positiven Aspekte zu verdeutlichen.
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?
Was sind Situationen / Erlebnisse, die
Ihre Stimmung von jetzt auf gleich
kippen lassen?
?
In welchen Situationen neigen Sie
besonders dazu, „aus der Haut zu
fahren“? Wie ist es (ganz ehrlich)
dazu gekommen?
?
Was sind Auslöser, die Sie sofort
und stark unter Stress setzen?
Wie reagieren Sie darauf?
Dazu können Sie auch Ihnen wichtige Menschen in Ihrem persönlichen Umfeld
befragen: Was sind Situationen und Erlebnisse, in denen Ihre Symptome Sie stärker
beeinträchtigen? Oder kommen Sie vielleicht besser zurecht, wenn Sie auf bestimmte
Dinge achten?
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Die beschriebenen Empfindungen und Verhaltensweisen sind zwar Teil Ihrer Erkran-
kung ADHS, aber in ihrer Ausprägung sind sie durchaus abhängig von anderen Fak-
toren. Manche Situationen, von denen Sie wissen, dass sie Sie besonders stressen oder
aufregen oder auch runterziehen, können Sie versuchen zu umgehen, um negative
Gefühle, Gefühlsausbrüche oder -umschwünge zu vermeiden. Anderen Situationen
können Sie nicht aus dem Weg gehen. Dann ist es gut, wenn Sie Strategien kennen
und anwenden (können), mit denen Sie diese ungünstigen Situationen besser meis-
tern. Denn Sie sind Ihren Gefühlen nicht „ausgeliefert“, im Gegenteil: Sie können so-
wohl Situationen als auch die Art und Weise, wie Sie Ihre Gefühle wahrnehmen oder
mit ihnen umgehen, beeinflussen – zum Positiven wie auch zum Negativen.
In jedem Bereich Ihres Lebens gibt es Umstände, Denkweisen und Aktivitäten, die Ihre
Stimmungsstörungen und deren Auswirkungen verstärken oder abschwächen. Wenn
Sie sich diese vor Augen halten und in Ihrem Alltag entsprechend beachten, können
Sie darauf einwirken, wie es Ihnen mit der ADHS geht. Sie können beeinflussen, ob Sie
sich Ihren Empfindungen ausgeliefert und überwältigt fühlen oder ob Sie den Über-
blick und die Hoheit über Ihr Handeln behalten.
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Ausbildung / Beruf
STOP
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Ausbildung / Beruf
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Die Therapie von ADHS besteht meistens aus einer Kombination verschiedener Ansätze
und fußt oft auf allen drei verfügbaren Säulen:
ADHS-Therapieelemente
Selbsthilfegruppen, Angehörigenarbeit
Medikamentöse Therapie
Bei ADHS ist das Gleichgewicht der im Gehirn vorliegenden Botenstoffe, der sogenann-
ten Neurotransmitter, im Vergleich zu Nicht-Betroffenen verändert: Bestimmte Boten-
stoffe (Dopamin, Noradrenalin) liegen an den Stellen, an denen sie eigentlich benötigt
werden, nicht in ausreichender Menge vor, dadurch wird die Übertragung von Signalen
gestört. Diese Veränderung beeinträchtigt besonders das Zusammenspiel von Aufmerk-
samkeits- und Motivationssystem.
Daran setzt die medikamentöse Therapie an. In Deutschland sind zur Behandlung der ADHS
bei Erwachsenen bestimmte Arzneimittel mit den Wirkstoffen Methylphenidat (MPH)
und Atomoxetin zugelassen. MPH verhindert, dass die Botenstoffe zu schnell „abgebaut“
werden und sorgt so für einen ausgeglicheneren Stoffwechsel im Gehirn.
Bei der bestimmungsgemäßen Einnahme von MPH besteht keine Suchtgefahr, auch wenn
die Medikamente regelmäßig und langfristig eingenommen werden. Nebenwirkungen
treten meist nur in der Anfangsphase der Einnahme auf und bilden sich häufig mit der
Zeit zurück. Ihr Arzt wird wie bei jeder Medikamenteneinnahme regelmäßige Kontroll-
untersuchungen vornehmen.
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Patienten, die gut über ihre Erkrankung informiert sind, können die Auswirkungen
selbst beurteilen oder sogar beeinflussen. Daher spielen die Information und Bera-
tung über ADHS sowie über Therapie- und Bewältigungsmöglichkeiten eine wichtige
Rolle.
Informationen wie die Ihnen hier vorliegende gehören zur sogenannten Psycho-
edukation. Tauschen Sie sich darüber hinaus mit anderen Betroffenen aus. In Selbst-
hilfegruppen können Sie beispielsweise weitere Informationen und Tipps erhalten
und lernen, dass Sie nicht allein sind mit Ihren Problemen.
Psychotherapie
Ein weiterer wichtiger Baustein der Therapie ist die Psychotherapie, die eine Verände-
rung von eingeschliffenen Verhaltensmustern zum Ziel hat. Die Art, wie Sie denken und
sich verhalten, haben Sie im Laufe Ihres Lebens zu einem großen Teil erlernt. In der
Verhaltenstherapie üben Sie neue Denk- und Verhaltensweisen ein und trainieren
Fertigkeiten, die Sie dann im Alltag anwenden können.
Das Bewusstsein dafür, wie Sie sich in bestimmten und ganz konkreten Situationen
fühlen, wie Sie reagieren (möchten), ist eine wesentliche Voraussetzung, um neues
Verhalten zu lernen. Mit Hilfe von Achtsamkeitsübungen lernen Sie z. B., sich mit
Ihren Gedanken und Gefühlen im aktuellen Moment bewusst wahrzunehmen, ohne
sich von Ihren Gefühlen, Empfindungen und Gedanken überrollen zu lassen.
Weitere Adressen:
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Name, Vorname
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Geschäftsführende Oberärztin der Abteilung für Neurologie und Psychiatrie des Uni-
versitätsklinikums Freiburg sowie Oberärztin der Borderline-Station und Ambulanz
ADHS im Erwachsenenalter.
Frau Dr. Philipsen hat Medizin und Klassische Philologie an der Universität Freiburg
studiert, wo sie 1998 in Neuropädiatrie promovierte und sich 2009 zum Thema ADHS
habilitierte. Sie absolvierte ihre Ausbildung zur Fachärztin für Psychiatrie und
Psychotherapie an der dortigen Universitätsklinik, Abteilung für Neurologie und
Psychiatrie, und leitet neben ihrer klinischen Tätigkeit als Oberärztin zwei For-
schungsgruppen zu den Themen Borderline und ADHS im Erwachsenenalter.
Herausgeber: MEDICE Pharma GmbH & Co. KG, Kuhloweg 37, 58638 Iserlohn
www.medice.de
GEMEINSAM
ADHS
BEGEGNEN
Ein Service von: MEDICE – DIE ERSTE WAHL